Märchen und Geschichten

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goldie
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Märchen und Geschichten

Beitrag von goldie » 28.01.2008 16:49

Zum Nachspielen:

Die drei Helden des Südens (für Schattentheater)

Benötigte Mitwirkende:
1 Vorleser/Erzähler
3 Puppenspieler
4-6 Personen für das Volk

Figuren:
Der König
Die Prinzessin
Harald der Starke (Krieger)
Reinhold der Flinke (Späher und Bogenschütze)
Sigurd der Weise (Magier)
Schattenherz der böse Magier

Der König hatte eine wunderschöne Tochter. Das ganze Volk liebte die Prinzessin ob ihrer Schönheit. (Das Volk jubelt)
Auch der König war beliebt, da er immer freundlich und gerecht war. (Das Volk jubelt)
Eines Tages hörte der böse Magier Schattenherz von dem friedlichen Land. Da er es nicht ertragen konnte, dass die Menschen dort so glücklich waren, beschloss er dies zu ändern. (Das Volk ist ängstlich)
Also überlegte sich Schattenherz dem König zu stehlen, was ihm das liebste war. Der böse Magier fiel in das Land ein und nahm sich die Prinzessin.
Daraufhin fiel das land in größte Trauer. (Das Volk trauert)
Der König versprach jenen, die Prinzessin retten würde die Hand seiner Tochter und den Titel ‚Der größte Held’. (Das Volk ist beeindruckt)
Die drei großen Helden des Südens hörten davon. Bekannt waren sie als Harald der Starke, Reinhold der Flinke und Sigurd der Weise. (Das Volk jubelt)
Die Drei brachen unverzüglich auf die Prinzessin zu retten.
Plötzlich hielt Reinhold der Starke an und sprach: „Hm, äh, ja… Mir fällt grade nichts ein.“
Die Helden wanderten weiter.
Als nächstes blieb Reinhold der Flinke stehen und sprach: „Kennt ihr das Späherzeichen für… Hm, vielleicht besser doch nicht.“
Es ging ein stück weiter, bis dieses Mal Sigurd der Weise anhielt. Er sprach laut und deutlich: „Wuff!“
Schließlich erreichten die drei Helden den Turm des bösen Magiers Schattenherz. Mutig stürmte Harald der Starke vor. (Das Volk jubelt)
„Halt! So geht das nicht!“ rief Reinhold der Flinke „Du hast das letzte Mal das Kommando geführt. Dieses Mal bin ich dran.“
Verwirrt blickte der böse Magier die Helden an.
„Einen Moment bitte Herr Oberbösewicht, wir müssen dies kurz am runden Tisch ausdiskutieren. Gleich geht es weiter.“ (in Gedanken bis 10 zählen)
Nach einer Weile kehrten die Helden auf das Schlachtfeld zurück und machten sich kampfbereit.
Plötzlich rief Sigurd der Weise: „Stopp! Stopp! Stopp! Stopp! Alles Anhalten! Es ist Teezeit. Mein Herr Oberbösewicht, Ihr braucht gar nicht so zu scheuen, das ist vereinbart im Handbuch für Helden und Schurken auf Seite 354.“ (Das Volk grummelt ungeduldig)
Nach dem Tee besiegen die drei Helden den Magier,
retteten die Prinzessin,
und brachten sie zu ihrem Vater. (Das Volk jubelt)
Dieser war entsetzt. „Was soll das? Ich kann meine Tochter doch nicht mit drei Männern verheiraten. Also sagt mit, wer von euch ist der größte Held?“
Darauf hin brach unter den drei Helden ein schlimmer Streit aus. Und wenn sie sich nicht geeinigt haben, dann streiten sie sich noch heute. Und die Geschichte ist jetzt aus. (Das Volk ist erleichtert)

Verfasser des Textes: Kendal von den Siebenauen
Dem Orden zugetragen von: Kendal von den Siebenauen aus Felsacker
Zuletzt geändert von goldie am 25.08.2009 18:57, insgesamt 1-mal geändert.

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goldie
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Beitrag von goldie » 07.02.2008 22:03

Allerleirauh
Volksmund

Es war einmal ein König, der hatte eine Frau mit goldenen Haaren, und sie war so schön, dass sich ihresgleichen nicht mehr auf Erden fand. Es geschah, dass sie krank lag, und als sie fühlte, dass sie bald sterben würde, rief sie den König und sprach: „Wenn du nach meinem Tode dich wieder vermählen willst, so nimm keine, die nicht ebenso schön ist, als ich bin, und die nicht solche goldenen Haare hat, wie ich habe; das musst du mir versprechen.“ Nachdem es ihr der König versprochen hatte, tat sie die Augen zu und starb.
Der König war lange Zeit nicht zu trösten und dachte nicht daran, eine zweite Frau zu nehmen. Endlich sprachen seine Räte: „Es geht nicht anders, der König muss sich wieder vermählen, damit wir eine Königin haben.“ Nun wurden Boten weit und breit umhergeschickt, eine Braut zu suchen, die an Schönheit der verstorbenen Königin ganz gleichkäme. Es war aber keine in der ganzen Welt zu finden, und die Boten kamen unverrichteter Dinge wieder heim.
Nun hatte der König eine Tochter, die war geradeso schön wie ihre verstorbene Mutter und hatte auch solche goldenen Haare. Als sie herangewachsen war, sah sie der König einmal an und sah, dass sie in allem seiner verstorbenen Gemahlin ähnlich war. Da sprach er zu seinen Räten: „Ich will meine Tochter heiraten, denn sie ist das Ebenbild meiner verstorbenen Frau, und sonst kann ich doch keine Braut finden, die ihr gleicht.“
Als die Räte das hörten, erschraken sie und sprachen: „Gott hat verboten, dass der Vater seine Tochter heirate, aus der Sünde kann nichts Gutes entspringen, und das Reich wird mit ins Verderben gezogen.“ Die Tochter erschrak noch mehr, als sie den Entschluss ihres Vaters vernahm.
Da sagte sie zu ihm: „Eh ich Euren Wunsch erfülle, muss ich erst drei Kleider haben, eins so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond und eins so glänzend wie die Sterne; ferner verlange ich einen Mantel von tausenderlei Pelz und Rauhwerk zusammengesetzt, und ein jedes Tier in Eurem Reich muss ein Stück von seiner Haut dazugeben.“ Sie dachte aber: Das anzuschaffen ist ganz unmöglich. Der König ließ aber nicht ab, und die geschicktesten Jungfrauen in seinem Reiche mussten die drei Kleider weben, eins so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond und eins so glänzend wie die Sterne; und seine Jäger mussten alle Tiere im ganzen Reiche auffangen und ihnen ein Stück von ihrer Haut abziehen; daraus ward ein Mantel von tausenderlei Rauhwerk gemacht. Endlich, als alles fertig war, ließ der König den Mantel holen, breitete ihn vor ihr aus und sprach: „Morgen soll die Hochzeit sein.“
Als nun die Königstochter sah, dass keine Hoffnung mehr war, ihres Vaters Herz umzuwenden, so fasste sie den Entschluss zu entfliehen. In der Nacht, während alles schlief, stand sie auf und nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnrädchen und ein goldenes Haspelchen; die drei Kleider von Sonne, Mond und Sterne tat sie in eine Nussschale, zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an und machte sich Gesicht und Hände mit Ruß schwarz. Dann befahl sie sich Gott und ging fort und ging die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie müde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum und schlief ein.
Sie schlief noch, da war es schon hoher Tag. Da trug es sich zu, dass der König, dem dieser Wald gehörte, darin jagte. Als seine Hunde zu dem Baum kamen, schnupperten sie, liefen ringsherum und bellten. Sprach der König zu den Jägern: „Seht doch, was dort für ein Wild sich versteckt hat.“ Die Jäger folgten dem Befehl und als sie wiederkamen, sprachen sie: „In dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Tier, wie wir noch niemals ein gesehen haben – an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schläft:“ Sprach der König: „Seht zu, ob ihr´s lebendig fangen könnt.“ Als die Jäger das Mädchen anfassten, erwachte es voll Schrecken und rief: „Ich bin ein armes Kind, von Vater und Mutter verlassen, erbarmt euch mein und nehmt mich mit.“ Da sprachen sie: „Allerleirauh, du bist gut für die Küche, komm nur mit.“ Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren heim in das königliche Schloss. Dort wiesen sie ihm ein Ställchen an unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam, und sagten: „Rauhtierchen, da kannst du wohnen und schlafen.“ Dann ward es in die Küche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schürte das Feuer, rupfte das Federvieh, belas das Gemüse, kehrte die Asche und tat alle schlechte Arbeit.
Da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig. Es geschah aber einmal, dass ein Fest im Schloss gefeiert ward, da sprach sie zum Koch: „Darf ich ein wenig hinaufgehen und zusehen? Ich will mich außen vor die Tür stellen.“ Antwortete der Koch: „Ja, geh nur hin, aber in einer halben Stunde musst du wieder hier sein und die Asche zusammentragen.“ Da nahm sie ihr Öllämpchen, ging in ihr Ställchen, zog den Pelzrock aus und wusch sich den Ruß von dem Gesicht und den Händen ab, so dass ihre volle Schönheit wieder an den Tag kam. Dann machte sie die Nuss auf und holte ihr Kleid hervor, dass wie die Sonne glänzte. Und wie das geschehen war, ging sie hinauf zum Fest, und alle traten ihr aus dem Weg, denn niemand kannte sie, und meinten nicht anders, als dass es eine Königstochter wäre. Der König kam ihr entgegen, reichte ihr die Hand und tanzte mir ihr und dachte in seinem Herzen: So schön haben meine Augen noch keine gesehen. Als der Tanz zu Ende war, verneigte sie sich, und wie sich der König umsah, war sie verschwunden, und niemand wusste wohin.
Sie war aber in ihr Ställchen gelaufen, hatte geschwind ihr Kleid ausgezogen, Gesicht und Hände schwarz gemacht und den Pelzmantel umgetan und war wieder Allerleirauh. Als sie nun in die Küche kam und an ihre Arbeit gehen wollte, sprach der Koch: „Lass das gut sein bis morgen und koche mir da die Suppe für den König, ich will auch einmal ein bisschen oben zugucken – aber lass mir kein Haar hineinfallen, sonst kriegst du in Zukunft nichts mehr zu essen.“ Da ging der Koch fort und Allerleirauh kochte die Suppe für den König, und wie sie fertig war, warf es seinen goldenen Ring in die Schüssel. Als der Tanz zu Ende war, ließ sich der König die Suppe bringen und aß sie, und sie schmeckte ihm so gut, dass er meinte, niemals eine bessere Suppe gegessen zu haben. Wie er aber auf den Grund kam, sah er da einen goldenen Ring liegen und konnte nicht begreifen, wie er dahingeraten war. Da befahl er, der Koch sollte vor ihn kommen. Der Koch erschrak, wie er den Befehl hörte, und sprach zu Allerleirauh: „Gewiss hast du ein Haar in die Suppe fallen lassen; wenn´s wahr ist, kriegst du Schläge.“
Als er vor den König trat, fragte dieser, wer die Suppe gekocht hätte. Antwortete der Koch: „Ich habe sie gekocht.“ Der König aber sprach: „Das ist nicht wahr, denn sie war auf andere Art und viel besser gekocht als sonst.“ Antwortete er: „Ich muss es gestehen, dass ich sie nicht gekocht habe, sondern das Rauhtierchen.“ Sprach der König: „Geh und lass es heraufkommen.“
Als Allerleirauh kam, fragte der König: „Wer bist du?“ – „Ich bin ein armes Kind, das nicht Vater und Mutter mehr hat.“ Fragt er weiter: „Wo hast du den Ring her, der in der Suppe war?“ Antwortete es: „Von dem Ring weiß ich nichts.“ Also konnte der König nichts erfahren und musste es wieder fortschicken.

Über eine Zeit war wieder ein Fest, da bat Allerleirauh den Koch wie vorigesmal um Erlaubnis, zusehen zu dürfen. Diesmal nahm es aus der Nuss das Kleid, das so silbern war wie der Mond. Der König freute sich, dass er sie wiedersah, und sie tanzten zusammen. Als der Tanz zu Ende war, verschwand sie wieder so schnell, dass der König nicht bemerken konnte, wo sie hinging. Sie machte sich wieder zum Rauhtierchen und ging in die Küche, die Suppe zu kochen. Als der Koch oben war, tat sie das goldene Spinnrad in die Schüssel. Danach ward sie dem König gebracht. Zum zweitenmal wurde Allerleirauh zum König gerufen, aber sie antwortete, dass sie von dem goldenen Spinnrädchen nichts wüsste.
Als der König zum drittenmal ein Fest anstellte, da ging es nicht anders als die vorigen Male. Nun zog sie das Kleid an, das wie die Sterne glänzte, und trat damit in den Saal. Der König tanzte wieder mit ihr und meinte, dass sie noch niemals so schön gewesen wäre. Und während er tanzte steckte er ihr, ohne dass sie es merkte, einen goldenen Ring an den Finger.
Aber diesmal hatte der Tanz länger gedauert und als sie in ihr Ställchen lief, konnte sie das schöne Kleid nicht ausziehen, sondern warf nur den Mantel von Pelz darüber. Sie lief in die Küche, kochte die Suppe und legte, als der Koch fort war, den goldenen Haspel hinein. Der König, als er den Haspel auf dem Grunde fand, ließ Allerleirauh rufen – da erblickte er den Ring an ihrem Finger. Er ergriff sie an der Hand und hielt sie fest, und als sie sich los machen und fortspringen wollte, tat sich der Pelzmantel ein wenig auf, und das Sternenkleid schimmerte hervor. Der König fasste den Mantel und riss ihn ab. Da kamen die goldenen Haare hervor, und sie stand da in voller Pracht und konnte sich nicht länger verbergen. Und als sie Ruß und Asche aus ihrem Gesicht gewischt hatte, da war sie schöner als man noch jemand auf Erden gesehen hat. Der König aber sprach: „Du bist meine liebe Braut und wir scheiden nimmermehr voneinander.“
Darauf ward die Hochzeit gefeiert und sie lebten vergnügt bis an ihren Tod.

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goldie
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Beitrag von goldie » 07.02.2008 22:04

Claris Nocti
Volksmund

Der lange nordische Winter war noch nicht vorüber. Eis und Schnee hatten den Wald der Trolle noch immer fest im Griff. Der furchtbare Nachtwolf hielt die Sonne noch in seinem unterirdischen Verlies gefangen. Die Vögel waren noch nicht zurück von ihrem Flug über das Meer. Der Wald schlief. Doch ein seltsamer Traum, lies Claris erwachen. Das kleine Trollenmädchen war erst 276 Jahre alt und noch sehr unerfahren im Wald. Selbst während der Mittsommernacht, da die Sonne nicht einmal in die Nähe des Nachtwolfes kam, war sie nie weiter als ihr eigener Schatten von ihrer Höhle weggegangen. Warum auch, die älteren Trolle kümmerten sich doch um sie. In den letzen Wintern war es auch so, daß die anderen sie erst noch wecken mußten. Claris verschlief immer. Die alten Trolle glaubten, sie sei so sonderbar, weil sie erst kurz vor der langen Nacht unter ihrem Geburtsstein gefunden wurde. Daher erhielt sie auch ihren Namen. Claris, weil es so ein besonders hell leuchtender Stein war und Nocti, weil der Nachtwolf schon zum Sprung angesetzt hatte um die ermüdende Sonne wieder einzufangen. Wäre es nicht so ein sonderbar leuchtender Stein gewesen, hätten sie die kleine Trollinger, so nannten die Alten einen Jungtroll, womöglich übersehen und sie wäre erfroren.
Sie ging aus ihrer Höhle und freute sich schon darauf die Sonne zu sehen und die Vögel singen zu hören. Doch an Stelle von Schneeglöckchen und Krokussen im Sonnenlicht war da nur Finsternis und Kälte. "Warum sind die anderen noch nicht wach?" dachte sie bei sich "haben sie dieses Frühjahr verschlafen? Oder bin ich einfach nur viel zu früh aus dem Winterschlaf erwacht? Ich werde losgehen und die anderen wecken. Bestimmt kommt dann die Sonne wieder, wenn wir sie alle rufen." Claris machte sich auf den Weg, die anderen zu wecken. "Hallo wo seid ihr? Aufstehen ihr Trolle, wir müssen den Frühling aus den Fängen des Nachtwolfes befreien." Sie ging weiter und weiter. Rief ihre Brüder und Schwestern, aber nur das beißende Heulen des Nordwindes antwortete ihr. Sie wurde traurig und wollte wieder in ihre Höhle gehen. Sie drehte sich um und erschrak "Oh nein, der Nordwind hat meine Spur verweht. Auch einen Schatten habe ich nicht, dem ich folgen könnte." Ziellos lief Claris immer weiter, bis sie an eine verlassene Höhle kam. Kaum drinnen wehte der Nordwind den Eingang zu. "Nun, dann werde ich mich hier wieder schlafen legen bis Frühling ist" dacht Claris. Sie rollte sich zusammen und sprach den Nachtzauber, um wieder einzuschlafen. Zweimal, dreimal, viermal sagte sie die Zauberformel auf. Sie konnte einfach nicht einschlafen, denn kaum daß sie müde wurde, kam wieder dieser Traum. Es waren nur unklare Bilder die sie sah. Mehr Lichtspiele als erkennbare Dinge, doch sie ließen sie nicht einschlafen. "Wenn nicht ein Wunder geschieht, werde ich hier vor Hunger und Kälte sterben. Niemand wird mich unter meinen Geburtsstein legen können und meine Seele wird einfach so vergehen. Ich werde nicht in tausend und einem Jahr wiedergeboren." Sie weinte und die Tränen, die sie weinte, gefroren in der kalten Höhle zu Eis. Wie Edelsteine lagen die gefrorenen Tränen da.
Als sieben mal sieben Tränen gefroren waren, bemerkte Claris ein Leuchten an der Felswand ihrer Höhle. Der Berggeist kam zu ihr, sah die Tränen und stürzte sich gierig darauf. " Gib mir die Edelsteine Trollinger! Sie sind in meinem Berg, also gehören sie mir." "Es sind keine Edelsteine" sagte Claris "es sind nur Tränen." " Tränen?" fragte der Berggeist noch einmal "wieso Tränen?" Weißt du, ich bin zu früh aufgewacht. Alle anderen schlafen noch und der Nachtwolf hält die Sonne noch immer gefangen. Auch diese Höhle hat der Nordwind zugeweht. Ich werde hier ganz allein und ohne Hoffnung auf Wiederkehr sterben." "Papperlapapp!" sagte der Berggeist. "Dumme Trollinger du! Die Sonne muß längst schon wieder genügend Kraft haben, um sich für ein paar Stunden aus den Verließen des Nachtwolfes zu befreien. Du hast dich sicher nur verlaufen. Bist müde und hungrig und kommst dadurch auf so absurde Ideen. Warte hier auf mich. Ich werde zum Berggipfel gehen und selbst nachsehen." Daraufhin verschwand der Berggeist so plötzlich wie er gekommen war und mit ihm sein Licht. "Wohin sollte ich den gehen?" dachte Claris bei sich. "der Eingang ist doch versperrt." Lange wartete Claris auf den Berggeist. Unerträglich lange, bis das Leuchten seiner Laterne die Höhle endlich wieder in ein dumpfes Licht tauchte. "Tja" sagte der Berggeist nachdenklich " Das sieht wirklich nicht gut aus da draußen. Jedenfalls nicht für deinesgleichen. Ich finde den Winter ja gut, weil ihr diebischen Trolle dann schlaft und nicht auf die Idee kommt, mir meine Schätze zu stehlen. Na und überhaupt Trolle....." Der Berggeist fuhr fort, Claris weiter zu beleidigen und sich über das Geschlecht der Trolle zu beklagen. Doch als er sich so richtig in Wut geredet hatte wurde er sehr ruhig und höflich und sagte zu Claris: "Gib mir die Tränen. Tränen sind aus Salz und Salz gibt es in meinem Berg nicht. Als Gegenleistung werde ich mit meiner Freundin Aurora reden und sie bitten, dir den Weg zu zeigen." "Welchen Weg?" fragte Claris. "Vergaß ich das zu sagen? Nun das ist so: alle tausend mal tausend und ein Jahr bekommt der Nachtwolf so viel Kraft, daß er die Sonne in seinem Reich festhalten kann. Wenn niemand kommt und der Sonne hilft, wird ewige Nacht im Reich der Trolle bleiben. So wie es aussieht bist du der einzige Troll der wach ist und es liegt bei dir, was aus deinem Geschlecht wird. Bedenke, länger als ein Jahr und zwei Winter darf ein Troll nicht schlafen, sonst stirbt er. Keiner von euch käme unter seinen Geburtsstein zurück und von dem ach so stolzen Geschlecht der Trolle bliebe nur allein meine Erinnerung. Kein Troll würde jemals wiedergeboren. Ein durchaus verlockender Gedanke. Nie wieder diese häßlichen Trolls ertragen müssen und überhaupt..." Der gehässige Berggeist brabbelte weiter Gemeinheiten in seinen Bart hinein und verschwand wieder im Felsen und das Licht seiner Lampe wich nach und nach wieder der Dunkelheit.
Wenige Augenblicke nachdem der Berggeist verschwunden war vernahm Claris ein gewaltiges Donnern. Der Berg erzitterte. Claris wurde hin und her geworfen und blieb kurz vor dem verschneiten Eingang liegen. "Merkwürdig" dachte Claris "es ist als ob ein Licht durch den Schnee in die Höhle fällt." Eilig machte sie sich daran, den Schnee zur Seite zu schaffen. "Bestimmt ist die Sonne jetzt doch aufgegangen" dachte sie bei sich. So schnell sie konnte grub sie sich mit ihren Händen durch den Schnee ins Freie. Ihr junges Herz raste vor Freude und Erwartung. Wie staunte sie aber, als sie ins Freie gelangte. Nicht die Sonne, sondern ein kaltes grünlich-blau bis rot schimmerndes Licht, daß wie eine Feder am Himmel tanzte war da. So ein Licht hatte Claris vorher noch nie gesehen. "Wer oder was bist du? Wo kommst du her?" rief sie in die Nacht dem Leuchten entgegen. "Ich bin Aurora, das Nordlicht. Im Sommer bin ich zu schwach, um gegen die Sonne zu bestehen. Daher kennst du mich nicht. Der Berggeist hat mich gebeten, dir zu helfen." "Der böse Berggeist?" fragte Claris "Ich dachte der will, daß alle Trolle sterben, damit er seine Ruhe hat?" "Ach, laß dir doch von dem alten Grießgram nichts einreden. Der ist gar nicht so böse wie er immer tut. Der ist nur zu oft allein und daher etwas mürrisch geworden." antwortete Aurora. " Er sagte mir, daß mein alter Widersacher, der Nachtwolf, die Sonne gefangen hält und nur du allein wach bist. Ich werde dir den Weg zeigen bis zum Eingang in das unterirdische Reich des Nachtwolfes. Nur bis dort kann ich dich begleiten. Wie heißt du eigentlich?" wollte Aurora noch wissen. "Man nennt mich Claris, Claris Nocti." "Claris Nocti? Das heißt doch so viel wie: das Leuchten in der Nacht?" fragte Aurora. " Du heißt so, wie ich bin. Gemeinsam werden wir es schaffen." Claris huschte ein lächeln übers Gesicht. Flüchtig nur, aber doch vorhanden. Jetzt war Claris nicht mehr allein, und verlaufen konnte sie sich auch nicht mehr, denn jetzt hatte sie ja wieder einen Schatten, dem sie folgen konnte. So lief sie übermütig los. "Nicht so eilig" rief ihr Aurora zu " geh erst noch einmal in die Höhle, in der dir der Berggeist begegnete und nimm ein Stück Erz mit." "Ich will nicht mehr in diese dunkle Höhle" sagt Claris ein wenig ängstlich. "Nur keine Angst kleine Trollinger" sagte Aurora "Ich werde dir Licht geben." Sie nahm ihren Mut zusammen und ging wieder in die Höhle. Das erste Stück Erz, das sie fand, nahm sie und versteckte es in ihrer Jackentasche. "Claris, vor der Höhle liegt unter dem Schnee ein etwa faustgroßer, grau-weißer Stein. Such ihn und nimm ihn auch mit. Es ist ein Feuerstein, damit kannst du ein Feuer entzünden. Das wirst du brauchen." sagte Aurora noch. Als Claris den Stein fand, forderte Aurora sie auf, den Stein und das Erz so zusammenzuschlagen, daß sie sich nur kurz berühren. Die Trollinger tat es wie beschrieben und nach ein paar Versuchen fielen helle, heiße Funken zu Boden. "Schön! Schön!" freute sich Claris und wollte gar nicht mehr aufhören "das ist schön, wie die hellen Punkte fliegen." Immer und immer wieder schlug sie die beiden Brocken aneinander und konnte sich gar nicht satt sehen. "Es wird Zeit aufzubrechen und den Nachtwolf zu suchen" mahnte Aurora "der Weg ist noch weit und die Zeit wird immer weniger. Du hast nur noch 7 Tage, um den Nachtwolf zu überwältigen und die Sonne wieder zu befreien."
Der Nachtwolf; sie hatte ja schon oft vom Nachtwolf gehört, doch da sie so eine Schlafmütze war, hatte sie noch nie erlebt, daß die Sonne nicht aufging. Sie folgte dem Weg, den Aurora ihr leuchtete. Kurz darauf kamen sie an einem alten Baum vorüber. In einem Astloch saß ein halb erfrorenes Mäuschen. Vor Kälte konnte es schon nicht mehr sprechen. Nur noch am blinzeln eines Auges sah Claris, daß es noch lebte. "Arme kleine Maus! Hast du den Weg in dein Loch nicht mehr geschafft? Komm, setz dich in meine Haare und wenn dir wieder warm ist, dann sagst du mir, wo dein Loch ist und ich bringe dich zurück zu deiner Familie." sagte Claris. Sie konnte es nicht ertragen, daß irgend jemand litt, auch nicht dieses Mäuschen. Nach einer Weile wurde dem Mäuschen wieder wärmer und es bat Claris, sie an der vierten Weide am See abzusetzen. Wie es der Zufall so wollte, war sie gerade als das Mäuschen dies sagte, bei den Weiden am See. Sie ließ daß Mäuschen herab und wollte schon weiter gehen, als ihr das kleine Tier zupiepste : Warte, kleine Trollinger, ich möchte dir zum Abschied etwas schenken, was du sicher gebrauchen kannst." Sie lief in ihr Loch und kam nach wenigen Augenblicken wieder heraus mit einem kleinen Knäuel Heu. "Gib gut darauf acht" rief ihr das Mäuschen noch zu "es nährt die Funken." Mit diesen Worten verschwand es in seinem Loch und kam nicht wieder heraus. So verstaute Claris ihr Geschenk in ihrer Jacke bei den anderen Dingen und zog weiter. Nach einiger Zeit sah sie eine Fledermaus in einer Felsspalte. "Hilf mir, kleine Trollinger, sonst erfriere ich." sagte die Fledermaus. Vorsichtig befreite Claris die kleine Fledermaus und hängte sie unter ihre Jacke. Nach einiger Zeit fragte die Fledermaus: "Bist du Claris? Der Nordwind hat mir von dir erzählt und dabei bin ich fast erfroren." "Ja" sagte Claris. "und ich bin auf dem Weg, den Nachtwolf zu suchen." und erzählte der Fledermaus, was sie schon alles erlebt hatte. "Setz mich bitte dort hinten in dem großen hohlen Baum bei meinen Verwandten ab. Wenn ich dir auf deiner Reise irgendwie helfen kann dann ruf mich einfach. Ich heiße Spitzohr und habe die besten Ohren im ganzen Trollenwald." sagte die Fledermaus "Ich wäre ja mit dir gekommen, doch jetzt brauche ich erst einmal etwas Schlaf." An dem beschriebenen Baum angekommen kletterte Claris hinein und hängte Spitzohr zu seinen Verwandten. Kaum das er hing schlief er auch schon tief und fest ein. Ganz leise stieg sie wieder herunter und ging den Weg weiter, den Aurora ihr wies.
Nach einer langen einsamen Wegstrecke sah Claris eine Eule, die sich in einem Dornbusch verfangen hatte. Ohne an ihre eigenen Finger zu denken befreite Claris die Eule aus ihrer mißlichen Lage. "Ich danke dir Trollinger" sagte die Eule "ohne dich wäre ich hier erfroren, verhungert oder der Fuchs hätte mich geholt. Wenn du je Hilfe brauchst, ruf nach mir. Ich habe die besten Augen im Trollenwald. Ach ja, mein Name ist Siehtsoviel. Um mich zu rufen entzünde ein Feuer, dessen Rauch wie ein -S- aussieht. Ich werde es sehen und dir zu Hilfe eilen. Leb wohl kleine Trollinger!" Ein paar kräftige Flügelschläge und kurz darauf verschwand die Eule lautlos in der Dunkelheit.
So ging sie weiter und weiter. Viele Täler durchwanderte sie und auf genau so viele Berge stieg sie. Claris ließ sich nicht von ihrem Ziel abbringen.
Am fünften Tag sah sie ein Rentier, daß in einen See gefallen war. Es war einer dieser Seen, die eine heiße Quelle hatten, und daher nie ganz zufroren. Das Rentier hatte sich, um zu trinken, zu weit nach vorn gewagt und war im See eingebrochen. Die dünne Eisdecke am Rand der heißen Quelle konnte es nicht mehr tragen. In Todesangst versuchte das Tier, wieder auf die Eisschicht des Sees zu gelangen. Ohne zu zögern und ohne nachzudenken nahm sich Claris einen starken Ast und ging dem Rentier entgegen. "Beiß fest in den Ast, dann kann ich dich herausziehen!" rief Claris dem Rentier zu. Da ihr Ast lang genug war, konnte sie am Ufer stehen bleiben. "beiß schon zu, du dummes Rentier" rief sie immer wieder. "halt dich fest, sonst kann ich dir auch nicht helfen." Lange hielt das Rentier den Ast für eine weitere Gefahr, doch irgendwann, als das Rentier schon ganz erschöpft war, bemerkte es Claris, die seit langem versuchte, ihm zu helfen. Mit letzter Kraft biß es in den Ast und Claris zog so stark sie nur konnte. Endlich war es geschafft. Das Rentier war aus dem See befreit. Doch der Eisige Nordwind griff sofort nach seinem nassen Fell. "Bitte mach ein Feuer, sonst erfriere ich und alles war umsonst." bat das Rentier. "Wie macht man Feuer?" fragte Claris "Ich habe noch nie Feuer gemacht. Ich kann das nicht." Claris wurde traurig, doch dann erinnerte sie sich an die Worte von Aurora: ,Es ist ein Feuerstein! Die beiden Brocken, die ich dabei habe, damit habe ich doch diese lustigen hellen Punkte gemacht.‘ Claris holte das Erz und den Feuerstein heraus und fing an Funken zu schlagen. Aber es brannte kein Feuer. "Na klar, ich dumme Trollinger, ich brauche Holz!" So brach sie ein paar trockene Äste in Stücke, legte sie übereinander und fing wieder an, Funken zu schlagen. "Warum brennt diese blöde Feuer nicht? Will es, daß mein neuer Freund erfriert?" Dann erinnerte es sich an die Worte des Mäuschens: "Es nährt die Funken..." So nahm Claris ein Stück von dem Heu und legte es zu dem Holz. Nach ein paar Schlägen mit dem Feuerstein stieg Rauch aus dem Heu. Ohne es zu wollen, half nun sogar der Nordwind mit. Er blies so kräftig in die Glut, daß sich das Heu entzündete und hell lodernd brannte. "Leg vorsichtig ein paar Stücke von dem Holz darauf" sagte das Rentier "und gib acht, daß du die Flamme nicht erstickst!". Nun konnte sich das Rentier trocknen und auch Claris genoß die Wärme des Feuers. Claris erzählte auch dem Rentier von ihrer Reise und dem was sie schon alles erlebt hatte. Von der Maus, der Eule, der Fledermaus und natürlich auch von dem Berggeist und Aurora, die alles mit angesehen hatte. "Das Reich des Nachtwolfes liegt noch sehr weit von hier. Allein schaffst du es nicht mehr rechtzeitig. Laß mich noch etwas ausruhen und dann werde ich dich auf meinem Rücken dorthin tragen. Ich bin viel schneller als du. Nur eines mußt du wissen, den genauen Eingang in sein Reich kenne ich nicht, den mußt du dann wieder alleine suchen." sagte das Rentier und schlief ein. Nach einigen Stunden wachte das Rentier wieder auf und sagte: "Auf geht’s! Laß uns die Sonne befreien!" Claris kletterte auf seinen Rücken. "Was ich vorhin vergaß, dir noch sagen wollte, ich heiße nicht Rudolf, sondern Flink und jetzt halt dich gut fest!" sagte das Rentier und lief los. Flink machte seinem Namen alle Ehre. Viel schneller als der Nordwind blasen, konnte Flink laufen. So schnell, das Aurora fast nicht hinterherkam zu leuchten. Nach dem sie über ungezählte Berge gelaufen waren, hielt Flink an und sagte: "Hier irgendwo ist der Eingang ins Reich des Nachtwolfes. Von hier aus mußt du allein weitersuchen, da ich zu große Angst habe. Ich werde aber hier warten, um dich wieder nach Hause zu tragen." Claris ging nun wieder allein weiter. "Aurora, kannst du den Eingang ins Reich des Nachtwolfes sehen?" fragte sie ihre Begleiterin. "Nein, leider nicht. Das Licht, das ich mache, blendet mich selbst so sehr, daß ich nur wenig sehe. Wenn ich mein Licht nicht tanzen lassen würde, würde ich gar nichts sehen." sagte Aurora. "Frag die Eule. Sie hat die besten Augen im Trollenwald." "Wie war doch das gleich" überlegte Claris "ein Feuer dessen Rauch wie ein -S- aufsteigt." Wie sie es gelernt hatte, wollte sie ein Feuer entzünden, doch hier im Gebiet der Nachtwolfes ging kein Lüftchen. Der Nordwind mied scheinbar diese Gegend. "Versuch es mit Pusten!" sagte Flink. So gut sie konnte blies Claris in die Glut und siehe da, das Feuer brannte. Holz nachgelegt und abwarten. "Wie kriege ich das nur mit dem -S- hin?" grübelte Claris. Da es absolut windstill war, stieg der Rauch kerzengerade nach oben. Sie redete auf den Rauch ein, als ob er sie verstehen könnte, blies ins Feuer, deckte das Feuer halb ab. Es half nichts. Der Rauch stieg weiter kerzengerade in den Himmel. "Krümme dich endlich du dummer Rauch" schrie Claris den Rauch an und wirbelte mit den Händen, als wollte sie den Rauch verprügeln. Links und rechts und links und rechtes und noch mal und noch mal. Unbemerkt stieg der Rauch nun wie in Schlangenlinien auf, aber Claris bemerkte es nicht. Nachdem sie ihre Wut abreagiert hatte, setzte sie sich neben das Feuer. "Dann suche ich eben alleine!" bockte sie mit sich. "Du hast mich gerufen?" hörte Claris hinter sich eine vertraute Stimme sagen. Sie drehte sich um und sah zu ihren Erstaunen ihren Freund Siehtsoviel, die Eule. "Wie kommst du denn hier her?" fragte Claris verwundert. "Du hast doch den Rauch als -S- aufsteigen lassen, wie wir es vereinbart hatten. Wie kann ich dir nun helfen?" wollte Siehtsoviel wissen. "Hilf mir bitte den Eingang ins Reich des Nachtwolfes zu finden." bat sie. "Ich habe nur noch einen Tag Zeit die Sonne zu befreien." "Ist gut" sagte die Eule "wenn ich etwas gefunden habe, rufe ich dich. Folge dann einfach nur meinem Schrei." Siehtsoviel flog auf und drehte erst einmal ein paar Runden. Sah hier nach und dort. Endlich rief er Claris zu sich. "Diese Höhle ist der Eingang ins Reich des Nachtwolfes. Von hier aus mußt du allein weitergehen, denn die Höhle ist so Dunkel, daß selbst ich darin nichts sehen kann. Das kann nur eine Fledermaus." "Eine Fledermaus?" staunte Claris "wie soll denn eine Fledermaus in dieser dunklen Höhle etwas sehen?" "Nun, Fledermäuse sehen mit den Ohren. Sie rufen in die Dunkelheit hinein und können sich am Echo orientieren." sagte Siehtsoviel. "Ich muß nun wieder nach Hause. Wenn du mich noch einmal brauchst, dann weißt du ja wie du mich rufen kannst. Leb wohl und viel Glück!" Genauso lautlos wie Siehtsoviel gekommen war, flog er auch wieder davon. "Liebe Aurora, kannst du mir nicht den Weg durch die Höhle erhellen?" fragte Claris. "Nun, bis zur ersten Abbiegung reicht mein Licht, doch danach kann ich dir nicht mehr helfen." sagte das Nordlicht. So rief sie ihren Freund Spitzohr. Sehr laut schrie sie den Namen in die Nacht. Bestimmt hundert mal.
"Schrei nicht so herum!" beschwerte sich Spitzohr als er ankam "Oder willst du, daß ich taub werde?" Dann berichtete Claris von ihren Erlebnissen und bat die Fledermaus, ihr in der Höhle zu helfen. "Paß auf" sagte Spitzohr "ich fliege einmal durch die Höhle durch und erkläre dir danach, wie du gehen mußt." Sprach‘s und flog auf. Die Zeit verging und Spitzohr kam und kam nicht wieder. Nach Stunden kam Spitzohr zurück und erläuterte Claris den Weg: "Die Höhle ist zweimal tausend Schritte lang. Die ersten tausend Schritte sind in absoluter Dunkelheit. Der zweite Teil des Weges wird durch die Sonne schon erleuchtet. Der Weg ist aber recht einfach zu finden. Streck deine Arme weit aus. So weit, daß du beide Seiten der Höhle berühren kannst und taste dich so langsam vorwärts. Es gibt viele Gabelungen in der Höhle. Geh immer abwechselnd erst links, dann rechts, wieder links dann rechts und immer so weiter. So findest du den Weg sofort. Paß aber auf, daß dir die Sonne nicht die Augen verbrennt, wenn du ins Reich des Nachtwolfes eintrittst. Jetzt wird mir wieder kalt. Ich werde zurückfliegen in meinen Schlafbaum. Viel Glück und komm mal wieder bei mir vorbei!" sagte die Fledermaus noch, als sie schon im Abflug war. Wie ihr gesagt wurde, breitete Claris die Arme aus und ging in die Dunkelheit. Erst links, dann rechts, wieder links und noch einmal rechts und immer so weiter, bis sie zum Ausgang der Höhle kam. Das Licht der Sonne blendete sie und sie kniff ganz fest die Augen zu. "Liebe Sonne, ich bin gekommen um dich zu befreien. Kannst du mir sagen wie, ich dir helfen kann zu entkommen und auch, wo der Nachtwolf ist?" fragte Claris. "Wer bist du?" fragte die Sonne zurück. "Ich bin Claris, doch wir haben keine Zeit zum plaudern, sonst wirst du auf ewig hier eingeschlossen bleiben und alle Trolle werden sich einfach auflösen, ohne wiedergeboren zu werden. Also noch mal: wie kann ich dir helfen?" antwortete Claris und die Sonne antwortete: "Der Nachtwolf ist recht groß und stark, aber nicht besonders klug. Versuch ihn abzulenken, während du mich hier heraus läßt." Noch ehe Claris alles verstanden hatte, stand der Nachtwolf vor ihr und knurrte: "Was willst du hier? Ich werde dich fressen, weil du meine Ruhe gestört hast." Claris nahm all ihren Mut zusammen "Nachtwolf, gib die Sonne wieder frei, sonst müssen alle Trolle sterben!" Der Nachtwolf lachte: "Ha, du kleine Trollinger willst mir, dem Nachtwolf, Vorschriften machen? Mir? Ha, so etwas komisches habe ich ja schon lange nicht mehr gehört. Ha. Weißt du was, ich hatte es satt, im Dunkeln zu hausen und darum habe ich mir die Sonne gefangen. Die Sonne gehört jetzt mir!" Claris griff in ihre Tasche und suchte irgend etwas, womit die den Nachtwolf bändigen könnte. Doch neben dem Feuerstein und dem Erz war da nur noch ihr Gold und sie erinnerte sich daran, wie sehr ihr der Glanz des Goldes gefiel, als sie es zum ersten mal im Sonnenlicht funkeln sah. "Nein!" sagte sie zu sich. Ohne Gold sieht mich doch kein anderer Troll mehr an. Doch wenn ich es nicht hergebe, gibt es vielleicht bald keine Trolle mehr.
"Du! Nachtwolf! Ich will dir einen Tausch anbieten." rief ihm Claris zu. Sie holte ihr Gold heraus und hielt es ins Licht. "Wenn du die Sonne frei läßt, schenke ich dir dieses leuchtende Gold. Es ist auch zehnmal mehr Wert, als die Sonne." "Laß sehen" sagte der Nachtwolf und kam näher. Claris bemerkte den gierigen Blick des Nachtwolfes und warf die Goldklumpen so weit sie nur konnte weg. Der Nachtwolf drehte sich sofort um, um das Gold einzusammeln. Während der Nachtwolf noch beschäftigt war, öffnete Claris die Gefängnistür und ließ die Sonne frei. Als die Sonne in der Höhle verschwunden war, merkte der Nachtwolf, daß er überlistet wurde. "Das Gold leuchtet nicht von allein. Betrug! Ich will meine Sonne wiederhaben!" tobte der Nachtwolf. Er lief der Sonne hinterher und am äußeren Ende der Höhle bekam er sie noch einmal zu fassen. Erbittert kämpften sie miteinander. Mit seinen scharfen Krallen und Zähnen riß der Nachtwolf der Sonne tausend mal tausend Funken heraus, die sofort zum Himmel stiegen. Nach einer kurzen Weile kam auch Claris wieder aus der Höhle. Sie packte den Nachtwolf am Schwanz und zog so lange bis er die Sonne freigab. Er war zu erschöpft, um Claris noch etwas anzutun. Flink hatte den Lärm mitbekommen und kam auch zur Höhle. Er hielt den Nachtwolf mit seinem mächtigen Geweih in Schach. Die Sonne war inzwischen auch schon zum Himmel aufgestiegen. Claris merkte, wie ringsum alles in helles Sonnenlicht getaucht wurde.
"Claris!" rief die Sonne "Claris, ich danke dir für die Rettung. Ich werde nun wieder für euch Trolle scheinen und wenn ihr euren Schlaf haltet, werde ich wie schon seit Ewigkeiten ins Reich des Nachtwolfes steigen. So sind alle zufrieden. Doch dir, Claris, möchte ich noch ein Geschenk machen. Die vielen Funken, die mir der Nachtwolf ausgerissen hat, will ich am Himmel verteilen und wenn ich im Reich des Nachtwolfes bin, werden sie weiterhin für dich und alle anderen Trolle leuchten." Danach verstummte die Sonne auf ewig. Der vom Kampf geschwächte Nachtwolf zog sich in sein Reich zurück um seine Wunden zu versorgen und auch Aurora war nicht mehr zu sehen.
Flink brachte Claris wieder zu ihrer eigene Höhle, wo schon zwei andere Trolle nach ihr suchten. Claris erzählte, was sie erlebt hatte, doch es wollte ihr keiner so recht glauben. Jedenfalls nicht bis zum Abend, denn als die Sonne sich wieder zurückzog waren da Tausende Lichter am Himmel.
Claris hatte viel gelernt in den letzten Tagen. Sie hat gelernt, daß sie den Tieren helfen muß, wenn sie sich selber helfen will. Sie hatte gelernt, wie wichtig Freunde sind und sie hatte gelernt, daß die Welt größer ist, als ihr eigener Schatten.
Zufrieden setzte sie sich vor ihre Höhle und schaute in den Nachthimmel. Kein Wölkchen war an diesem Abend zu sehen. Sie sah all die Funken und ein sehr breites Lächeln kam auf ihr Gesicht, denn nur sie allein wußte, daß all diese Funken nur für sie leuchten.

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Beitrag von goldie » 07.02.2008 22:19

Das blaue Licht
Volksmund

Es war einmal ein Soldat, der hatte dem König lange Jahre treu gedient: als aber der Krieg zu Ende war und der Soldat, der vielen Wunden wegen, die er empfangen hatte, nicht weiter dienen konnte, sprach der König zu ihm 'du kannst heim gehen, ich brauche dich nicht mehr: Geld bekommst du weiter nicht, denn Lohn erhält nur der, welcher mir Dienste dafür leistet.' Da wusste der Soldat nicht, womit er sein Leben fristen sollte: ging voll Sorgen fort und ging den ganzen Tag, bis er abends in einen Wald kam. Als die Finsternis einbrach, sah er ein Licht, dem näherte er sich und kam zu einem Haus, darin wohnte eine Hexe. 'Gib mir doch ein Nachtlager und ein wenig Essen und Trinken' sprach er zu ihr, 'ich verschmachte sonst.' 'Oho!' antwortete sie, 'wer gibt einem verlaufenen Soldaten etwas? doch will ich barmherzig sein und dich aufnehmen, wenn du tust, was ich verlange.' 'Was verlangst du?, fragte der Soldat. 'Dass du mir morgen meinen Garten umgräbst.' Der Soldat willigte ein und arbeitete den folgenden Tag aus allen Kräften, konnte aber vor Abend nicht fertig werden. 'Ich sehe wohl' sprach die Hexe, 'dass du heute nicht weiter kannst: ich will dich noch eine Nacht behalten, dafür sollst du mir morgen ein Fuder Holz spalten und klein machen.' Der Soldat brauchte dazu den ganzen Tag, und abends machte ihm die Hexe den Vorschlag, noch eine Nacht zu bleiben. 'Du sollst mir morgen nur eine geringe Arbeit tun, hinter meinem Hause ist ein alter wasserleerer Brunnen, in den ist mir mein Licht gefallen, es brennt blau und verlischt nicht, das sollst du mir wieder heraufholen.' Den andern Tag führte ihn die Alte zu dem Brunnen und ließ ihn in einem Korb hinab. Er fand das blaue Licht und machte ein Zeichen, dass sie ihn wieder hinaufziehen sollte. Sie zog ihn auch in die Höhe, als er aber dem Rand nahe war, reichte sie die Hand hinab und wollte ihm das blaue Licht abnehmen. 'Nein' sagte er und merkte ihre bösen Gedanken, 'das Licht gebe ich dir nicht eher, als bis ich mit beiden Füßen auf dem Erdboden stehe.' Da geriet die Hexe in Wut, ließ ihn wieder hinab in den Brunnen fallen und ging fort.
Der arme Soldat fiel, ohne Schaden zu nehmen, auf den feuchten Boden, und das blaue Licht brannte fort, aber was konnte ihm das helfen? er sah wohl, dass er dem Tod nicht entgehen würde. Er saß eine Weile ganz traurig, da griff er zufällig in seine Tasche und fand seine Tabakspfeife, die noch halb gestopft war. 'Das soll mein letztes Vergnügen sein' dachte er, zog sie heraus, zündete sie an dem blauen Licht an und fing an zu rauchen. Als der Dampf in der Höhle umhergezogen war, stand auf einmal ein kleines schwarzes Männchen vor ihm und fragte 'Herr, was befiehlst du?, 'Was habe ich dir zu befehlen?, erwiderte der Soldat ganz verwundert. 'Ich muss alles tun' sagte das Männchen, 'was du verlangst.' 'Gut' sprach der Soldat, 'so hilf mir zuerst aus dem Brunnen.' Das Männchen nahm ihn bei der Hand und führte ihn durch einen unterirdischen Gang, vergaß aber nicht, das blaue Licht mitzunehmen. Es zeigte ihm unterwegs die Schätze, welche die Hexe zusammengebracht und da versteckt hatte, und der Soldat nahm so viel Gold, als er tragen konnte. Als er oben war, sprach er zu dem Männchen 'nun geh hin, bind die alte Hexe und führe sie vor das Gericht.' Nicht lange, so kam sie auf einem wilder Kater mit furchtbarem Geschrei schnell wie der Wind vorbeigeritten, und es dauerte abermals nicht lang, so war das Männchen zurück, 'es ist alles ausgerichtet' sprach es, 'und die Hexe hängt schon am Galgen - Herr, was befiehlst du weiter?, fragte der Kleine. 'In dem Augenblick nichts' antwortete der Soldat, 'du kannst nach Haus gehen: sei nur gleich bei der Hand, wenn ich dich rufe.' 'Es ist nichts nötig' sprach das Männchen, 'als dass du deine Pfeife an dem blauen Licht anzündest, dann stehe ich gleich vor dir.' Darauf verschwand es vor seinen Augen.
Der Soldat kehrte in die Stadt zurück, aus der er gekommen war. Er ging in den besten Gasthof und ließ sich schöne Kleider machen, dann befahl er dem Wirt, ihm ein Zimmer so prächtig als möglich einzurichten. Als es fertig war und der Soldat es bezogen hatte, rief er das schwarze Männchen und sprach 'ich habe dem König treu gedient, er aber hat mich fortgeschickt und mich hungern lassen, dafür will ich jetzt Rache nehmen.' 'Was soll ich tun?' fragte der Kleine. 'Spät abends, wenn die Königstochter im Bete liegt, so bring sie schlafend hierher, sie soll Mägdedienste bei mir tun.' Das Männchen sprach 'für mich ist das ein leichtes, für dich aber ein gefährliches Ding, wenn das herauskommt, wird es dir schlimm ergehen.' Als es zwölf geschlagen hatte, sprang die Türe auf, und das Männchen trug die Königstochter herein. 'Aha, bist du da?' rief der Soldat, 'frisch an die Arbeit! geh, hol den Besen und kehr die Stube.' Als sie fertig war, hieß er sie zu seinem Sessel kommen, streckte ihr die Füße entgegen und sprach 'zieh mir die Stiefel aus' warf sie ihr dann ins Gesicht, und sie musste sie aufheben, reinigen und glänzend machen. Sie tat aber alles, was er ihr befahl, ohne Widerstreben, stumm und mit halbgeschlossenen Augen. Bei dem ersten Hahnschrei trug sie das Männchen wieder in das königliche Schloss und in ihr Bett zurück.
Am andern Morgen, als die Königstochter aufgestanden war ging sie zu ihrem Vater und erzählte ihm, sie hätte einen wunderlichen Traum gehabt, 'ich ward durch die Straßen mit Blitzesschnelle fortgetragen und in das Zimmer eines Soldaten gebracht, dem musste ich als Magd dienen und aufwarten und alle gemeine Arbeit tun, die Stube kehren und die Stiefel putzen. Es war nur ein Traum, und doch bin ich so müde, als wenn ich wirklich alles getan hätte.' 'Der Traum könnte wahr gewesen sein' sprach der König, 'ich will dir einen Rat geben, stecke deine Tasche voll Erbsen und mache ein klein Loch in die Tasche, wirst du wieder abgeholt, so fallen sie heraus und lassen die Spur auf der Straße.' Als der König so sprach, stand das Männchen unsichtbar dabei und hörte alles mit an. Nachts, als es die schlafende Königstochter wieder durch die Straßen trug, fielen zwar einzelne Erbsen aus der Tasche, aber sie konnten keine, Spur machen, denn das listige Männchen hatte vorher in allen Straßen Erbsen verstreut. Die Königstochter aber musste wieder bis zum Hahnenschrei Mägdedienste tun.
Der König schickte am folgenden Morgen seine Leute aus, welche die Spur suchen sollten, aber es war vergeblich, denn in allen Straßen saßen die armen Kinder und lasen Erbsen auf und sagten 'es hat heut nacht Erbsen geregnet.' 'Wir müssen etwas anderes aussinnen' sprach der König, 'behalt deine Schuh an, wenn du dich zu Bett legst, und ehe du von dort zurückkehrst, verstecke einen davon; ich will ihn schon finden.' Das schwarze Männchen vernahm den Anschlag, und als der Soldat abends verlangte, er sollte die Königstochter wieder herbeitragen, riet es ihm ab und sagte, gegen diese List wüsste es kein Mittel, und wenn der Schuh bei ihm gefunden würde, so könnte es ihm schlimm ergehen. 'Tue, was ich dir sage,' erwiderte der Soldat, und die Königstochter musste auch in der dritten Nacht wie eine Magd arbeiten; sie versteckte aber, ehe sie zurückgetragen wurde, einen Schuh unter das Bett.
Am andern Morgen ließ der König in der ganzen Stadt den Schuh seiner Tochter suchen: er ward bei dem Soldaten gefunden und der Soldat selbst, der sich auf Bitten des Kleinen zum Tor hinausgemacht hatte, ward bald eingeholt und ins Gefängnis geworfen. Er hatte sein Bestes bei der Flucht vergessen, das blaue Licht und das Gold, und hatte nur noch einen Dukaten in der Tasche. Als er nun mit Ketten belastet an dem Fenster seines Gefängnisses stand, sah er einen seiner Kameraden vorbeigehen. Er klopfte an die Scheibe, und als er herbeikam, sagte er 'sei so gut und hol mir das kleine Bündelchen, das ich in dem Gasthaus habe liegen lassen, ich gebe dir dafür einen Dukaten.' Der Kamerad lief hin, und brachte ihm das Verlangte. Sobald der Soldat wieder allein war, steckte er seine Pfeife an und ließ das schwarze Männchen kommen. 'Sei ohne Furcht,' sprach es zu seinem Herrn, 'geh hin, wo sie dich hinführen, und lass alles geschehen, nimm nur das blaue Licht mit.' Am andern Tag ward Gericht über den Soldaten gehalten, und obgleich er nichts Böses getan hatte, verurteilte ihn der Richter doch zum Tode. Als er nun hinausgeführt wurde, bat er den König um eine letzte Gnade. 'Was für eine?' fragte der König. 'Dass ich auf dem Weg noch eine Pfeife rauchen darf.' 'Du kannst drei rauchen' antwortete der König, 'aber glaube nicht, dass ich dir das Leben schenke.' Da zog der Soldat seine Pfeife heraus und zündete sie an dem blauen Licht an, und wie ein paar Ringel vom Rauch aufgestiegen waren, so stand schon das Männchen da hatte einen kleinen Knüppel in der Hand und sprach 'was befiehlt mein Herr?, 'Schlag mir da die falschen Richter und ihre Häscher zu Boden, und verschone auch den König nicht, der mich so schlecht behandelt hat.' Da fuhr das Männchen wie der Blitz, zickzack`, hin und her, und wen es mit seinem Knüppel nur anrührte, der fiel schon zu Boden und getraute sich nicht mehr zu regen. Dem König ward angst, er legte sich auf das Bitten, und um nur das Leben zu behalten, gab er dem Soldaten das Reich und seine Tochter zur Frau.
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OT: Dieses Märchen wurde mir von Märchenkristall (www.maerchenkristall.de) zur Verfügung gestellt.

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Beitrag von goldie » 08.02.2008 14:52

Das Männlein mit dem Wunderspiegel
Volksmund

Vor vielen, vielen Jahren war einmal im Gebirge ein Mann unterwegs. Da fand er zufällig, wie man ja manchmal etwas findet, einen kleinen Spiegel. Er hob ihn auf und blickte hinein. Aber, was Wunder! er sah drin nicht sich selbst, sondern einen steilen, felsigen Berghang, der voll goldener und silberner Zapfen hing. Die gleißten und funkelten in wunderbarem Glanze. Hoch oben an der Felswand aber krabbelte ein kleines Männlein herum, das emsig die goldenen Zapfen abbrach und in ein Säcklein steckte.

Der Mann konnte sich an alldem kaum sattsehen. Es dauerte aber gar nicht lange, da merkte das Männlein, dass jemand es durch sein verlorengegangenes Spiegelein beobachtete. Da wurde es ganz aufgeregt und fing an zu zappeln und ängstlich zu jammern und bat den Mann, doch den Spiegel wegzuwerfen. Es sei sonst verloren, könne sich nicht mehr an der Felswand halten und müsse herabstürzen und zu Tode fallen. Gerne wolle es ihm dafür von seinen Schätzen geben. Da hatte der Mann mit dem armen Wichtlein Mitleid und warf den Spiegel weg. Sogleich verschwand die Felswand und alle Pracht, die daran gefunkelt, und das Männlein stand vor ihm. Als der Mann fragte, woher es denn sei, sagte es: "Aus Verendar!", gab ihm zum Lohn einen großen Goldzapfen und - war verschwunden.

Voller Freude wickelte der Mann den Zapfen in sein Sacktuch und machte sich auf den Heimweg. Unterwegs schmiedete er mancherlei Pläne: wie er seine Schulden bezahlen und Felder und Vieh kaufen könne; freute sich, dass ihm nun aus aller Not geholfen, und wie reich er mit einemmal geworden sei. In der halben Zeit war er zu Hause, so schnell lief er. Schon unter der Stubentür knüpfte er sein Taschentuch auf, um Weib und Kind seinen Schatz zu zeigen. Aber, O weh! - der Zapfen glänzte kein bisschen mehr, sondern war ganz schwarz und unansehnlich geworden. Da war der Mann tagelang traurig. Und weil er mit dem schwarzen Klumpen nichts anzufangen wusste, entschloss er sich, nach Verendar zu gehen, das Männlein aufzusuchen und es zu fragen, wie er das trügerische Ding behandeln müsse, damit es wieder seinen alten Glanz bekomme. Er wickelte den Zapfen ins Taschentuch und begab sich auf die Reise.

Nach langer Wanderung kam er endlich in Verendar an. Wie er so durch die Straßen ging und nach dem Männlein suchte, stand es plötzlich neben ihm. Es grüßte ihn überaus freundlich und fragte erstaunt, wie er denn hier herkomme. Da klagte ihm der Mann seine Not, erzählte, wie es ihm mit dem goldenen Zapfen gegangen sei und knüpfte sein Taschentuch auf. Da lächelte das Männlein, strich mit der flachen Hand darüber hin und - siehe da! der Zapfen war wieder eitel Gold und funkelte wie zuvor. Überglücklich bedankte sich der Mann und wollte gleich wieder die Heimreise antreten. Aber das Männlein ließ es nicht zu, sondern bat ihn, mit in sein Haus zu kommen und einige Tage sein Gast zu sein.
Es führte ihn in einen groß mächtigen Palast; bewirtete ihn mit köstlichen Speisen und Getränken und zeigte ihm alle seine Reichtümer. Da konnte der einfache Mann ob all der Pracht und Schätze nicht genug staunen und rief ein Mal übers andere "Ach, wenn nur auch meine Frau da wäre und all die Schönheit sehen könnte!" Das Männlein fragte ihn, ob er gerne wissen und sehen möchte, wie es seiner Frau zu Hause gehe und was sie gerade treibe. "Ei, freilich möchte ich das gerne sehen!" sagte er. Da holte das Männlein den Wunderspiegel herbei und ließ ihn hineinsehen. Und da sah der Mann wahrhaftig ganz klar und deutlich sein Haus und die Stube und drin sein Weib, wie es bei der Wiege saß und dem Kind den Brei gab.

Voller Freude nahm er von dem guten Männlein Abschied, zog mit seinem blanken Goldzapfen wieder heimwärts und lebte fortan mit Weib und Kind in Glück und Reichtum.

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goldie
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Beitrag von goldie » 10.02.2008 18:44

Das Wunderschiff
Volksmund

Es war einmal ein reicher König, der hatte die seltsamsten Wünsche. Eines Morgens befahl er: "Man baue mir ein Schiff, mit dem ich zu Wasser und zu Lande fahren kann!" Noch am selben Tage ließ sein Kanzler im ganzen Reich durch Herolde verkünden: "Wer es vermag, dem König ein Schiff zu bauen, mit dem er zu Wasser und zu Lande fahren kann, der bekommt seine Tochter zur Frau und soll nach ihm König werden!"
Diese Kunde hörte auch ein reicher Sägmüller, der drei Söhne hatte. Er rief sie zu sich und sagte: "Ich will gern alles aufwenden, was ich habe. Versucht's, ob einer von euch ein solches Schiff zuwege bringt!" Die Söhne waren gleich bereit dazu; als sie sich aber darum stritten, wer es mit dem Bau zuerst versuchen dürfe, bestimmte der Vater, dass der älteste den Anfang machen solle.

Der zog auch gleich mit den Knechten hinaus in den Wald, um das nötige Holz zum Schiffsbau zu fällen. Sie hatten schon eine stattliche Anzahl Tannen gehauen, da kam ein alter Mann den Waldweg daher und bat um ein Stück Brot. Der junge Sägmüller aber sagte: "Ich habe nur Brot für mich und meine Leute und kann dir nichts abgeben!" "Was willst du denn da mit deinen Leuten machen?" fragte der Alte. - "Ein Schiff mit dem man zu Wasser und zu Lande fahren kann!" schnarrte ihn der Junge an. - "Das werdet ihr wohl bleiben lassen !" entgegnete der Mann und ging weiter. Und wie er gesagt hatte, so geschah es auch. Sie arbeiteten lange und konnten das Schiff doch nicht zustande bringen.

Als der älteste Sohn unverrichteter Dinge nach Hause kam, zog der zweite aus. Die Sonne sank, und er wollte mit den Knechten gerade Feierabend machen, als wieder der alte Mann dahergestockt kam und um ein Stück Brot bat. "Für fremde Leute haben wir kein Brot!" bekam er zur Antwort. Darauf fragte der Mann: "Was wollt ihr denn hier machen?" - "Ein Schiff das zu Wasser und zu Lande fahren kann!" - "Das werdet ihr wohl bleiben lassen!" sagte der Alte und ging weiter. Und er behielt recht. Auch der zweite Sohn musste nach vergeblicher Mühe wieder umkehren.
Jetzt kam die Reihe an Hans, den jüngsten. Er rief die Arbeiter zusammen, zog in den Wald hinaus und legte hurtig Hand ans Werk. Gegen Abend kam auch zu ihm der alte Mann und bat um ein Stückchen Brot. - "Gerne", sagte Hans. "Setzt Euch nur her zu mir." Und er reichte ihm Brot und Käse und füllte ihm einen Becher mit Wein. Der Alte bedankte sich und fragte nach einer Weile : "Was wollt ihr denn da machen?" - "Ein Schiff, mit dem man zu Wasser und zu Lande fahren kann", antwortete Hans. - "So, so", sagte der Mann. - "Meine zwei Brüder haben es schon vor mir versucht, aber es ist ihnen nicht gelungen", erzählte Hans. Der Alte nickte: "Ich weiß es. Auch du würdest es nicht zuwege bringen. Weil du aber der beste von euch drei Brüdern bist, sollst du das Glück haben, die schöne Königstochter zu freien. Komm zu dieser Stunde über drei Tage hierher an diesen Platz, so will ich dir das Schiff mitbringen. Pünktlich zur ausgemachten Stunde erschien der Alte und übergab dem Hans das Wunderschiff, das zu Wasser und zu Lande fahren konnte. Wie staunte da der junge Bursche und kannte sich fast nicht mehr vor Freude. "Nun, steig ein!" sagte der Mann. "Und fahr mit Glück!" - Ehe Hans sich aber umsah, seinem Helfer zu danken, war der Fremde verschwunden. Da stieg er ins Schiff und machte sich ohne Aufenthalt auf den Weg in die Hauptstadt und zum Palaste des Königs.

Wie er so mit seinem Schiff über Land und Wasser dahinsegelte, sah er vor einem Wald einen Jäger stehen. Der hatte das Gewehr angelegt und zielte ins Blaue hinein. Da hielt Hans sein Schiff an und fragte: "Wonach zielst du denn?" - Der Jäger sagte: "Ich will den Spatzen schießen, der in dem Dorf hinterm Wald auf der Kirchturmspitze sitzt." - Hans meinte: "Das ist doch nicht möglich!" - Der Schütze aber behauptete: "Mit diesem Gewehr kann ich auf vierhundert Stunden weit jeden Vogel treffen!" - "Willst du nicht mitfahren?" fragte Hans. - "Das möchte ich schon gerne; aber ich habe kein Geld." - "Das tut nichts!" sagte Hans. Da setzte sich der Jäger zu ihm in das Schiff und sie fuhren miteinander weiter.

Sie waren noch nicht lange unterwegs, da trafen sie einen Mann, der hatte auf der rechten Seite ein ungeheuer langes Ohr. Es reichte bis auf den Boden. Hans hielt sein Schiff an und fragte den Mann: "Was fängst du denn mit deinem langen Ohr an?" - "Damit kann ich auf vierhundert Stunden weit alles hören, was gesprochen wird", entgegnete er. - "Ei, so hör einmal, was man im Königsschloss spricht!" sagte Hans. Da horchte der Langohr ein Weilchen hin und sagte: "Man spricht dort gerade von dem Wunsch des Königs, der ein Schiff haben will, das zu Wasser und zu Lande fahren kann. Aber die Minister sagen, es sei nicht möglich, ein solches zu bauen." - "Willst du nicht mitfahren?" fragte Hans. "Ja, das möchte ich schon gerne, aber ich habe kein Geld." - "Das tut nichts!" sagte Hans, ließ ihn einsteigen und fuhr weiter.

Bald begegneten sie wieder einem Mann; der hatte ganz gewaltig große Stiefel an den Füßen. Hans hielt sein Schiff an und fragte ihn: "Was machst du denn mit den großen Stiefeln?" - Der Mann antwortete: "In diesen Stiefeln komme ich schneller voran als der Wind!" - "Ei, willst du nicht mitfahren?" fragte Hans. - "Dazu hätte ich schon Lust, aber ich habe kein Geld, um die Fahrt zu bezahlen." - "Das tut nichts!" sagte Hans, und so fuhr der Schnell-Läufer auch mit.

Über eine Weile sahen sie noch einen vierten Mann am Wege stehen. Dem ragte ein großer Holzzapfen aus seinem Hosenboden. Darüber wunderte sich Hans sehr und hielt darum sein Schiff an. Er fragte den Mann: "Warum hast du dahinten einen Zapfen stecken?" - "Das hat seinen guten Grund", antwortete der Mann; "denn wenn ich den Zapfen herausziehen würde, könnte ich das ganze Königreich voll machen!" - "Ei!" sagte Hans, "willst du nicht mitfahren?" - "Ich möchte schon", antwortete der Mann, "aber ich habe kein Geld und ich brauche auch sehr viel zu essen." - "Das tut nichts!" sagte Hans. "Fahr nur mit!" So stieg auch der Zapfenmann ins Schiff und fuhr mit an den Königshof.

Als Hans vor dem Schloss ankam, übergab er das Schiff mit den vier Männern der Obhut der Wache und ging geradeswegs zum König. Er verbeugte sich höflich und sprach: "Herr König, drunten habe ich ein Schiff, das zu Wasser und zu Lande fahren kann!" Da fragte der König: "Hast du es auch selbst gemacht?" - "Ja!" sagte Hans. "So säge einmal ein Stück aus dem Schiff heraus und setze es dann wieder ein!" gebot der König. Da sagte Hans: "Ich habe ein ganzes und heiles Schiff gebaut; warum soll ich`s mutwillig zerstören und hernach wieder flicken? Das tu ich nicht!" Als der König den Hans auf diese Art nicht loswerden konnte, ließ er seinen Kanzler kommen und beriet mit ihm, was hier zu machen sei. Denn er meinte, diesem dummen Burschen könne er doch nicht seine Tochter zur Frau geben.

Der schlug ihm vor: "Stellt ihm eine unlösbare Aufgabe; sagt, dass Ihr ihm Tochter und Reich erst abtreten könnt, wenn er auch diesen Auftrag erfüllt habe." - "Und welches, meinst du, wäre diese unlösbare Aufgabe?" fragte der König. - "Schickt ihn nach dem Brunnen, der dreihundertfünfzig Stunden von hier liegt, er soll daraus binnen drei Stunden einen Krug Wasser holen. Ich denke, das wird der Hans wohl bleiben lassen!" Dieser Rat gefiel dem König. Er ließ Hans zu sich rufen und sagte: "Höre einmal, du musst mir erst noch einen Krug Wasser aus dem Brunnen an der Grenze meines Reiches holen. Bist du in drei Stunden wieder hier, so sollst du meine Tochter bekommen und König werden." - "Soll geschehen!" sagte Hans und eilte zu seinem Schiff und seinen Leuten.

"Zieh schnell deine großen Stiefel an!" rief er dem Schnell-Läufer zu und fuhr ihn übers Wasser. Der Schnellläufer flog wie der Wind zum Brunnen, füllte daraus den Krug und wollte sich gleich wieder auf den Rückweg machen. Dann dachte er aber: "Du hast ja noch Zeit und kannst dich erst ein wenig ausruhen", legte sich unter einen Baum und schlief ein. Zwei Stunden waren schon vergangen, und Hans stand auf seinem Schiff und wartete und wartete; doch der Läufer kam nicht. Da sagte Hans zu dem Langohr: "Horch doch einmal hin, wo der Läufer steckt!" Der Langohr legte sein Ohr an die Erde und lauschte eine Weile. "Der ist bei dem Brunnen eingeschlafen, ich höre ihn dort schnarchen!" sagte er. Da nahm der Scharfschütze seine Büchse, lud einen Kieselstein hinein und schoss ihn dem Schläfer so dicht am Kopf vorbei, dass es nur so pfiff. Davon erwachte der Schnell-Läufer, lief weiter und kam gerade noch zur rechten Zeit mit seinem Krug Wasser an.

Hans brachte ihn dem König und verlangte nun seine Tochter und das Königreich. Nun war der König wieder in Not, denn er hatte nicht gedacht, dass Hans das Wasser aus dem fernen Brunnen so schnell herbeischaffen könnte. Weil er aber gar keinen Ausweg mehr wusste, fragte er endlich den Hans: "Ist es dir nicht einerlei, wenn ich dir anstatt der Prinzessin und meinem Reich Gold gebe?" Hans sagte: "Mir kann es gleich sein. Aber ich will so viel Gold, als mein Schiff tragen kann." Der König sagte ihm dies zu, ließ aber sogleich wieder seinen Kanzler rufen und sprach: "Sobald der Hans weggefahren ist, soll ihm ein halbes Regiment roter Husaren nachreiten und ihm das Gold wieder abnehmen!"

Nun wurde von den Dienern des Königs eine Tonne Gold nach der andern auf das Schiff gebracht. Als es voll beladen war, trat Hans mit seinen Gehilfen die Rückreise an. Während sie zum Stadttor hinausfuhren, sagte Hans zum Langohr: "Horche einmal, was sie jetzt im Schloss sprechen!" Da horchte er auf und sagte: "Der König schickt soeben ein halbes Regiment rote Husaren aus, die sollen dir das Gold wieder abnehmen und dem König zurückbringen. " Es dauerte auch nicht lange, da kamen die Rotjacken dahergesprengt. Als sie nahe genug waren, sagte Hans zum Zapfenmann: "Was meinst du, nun könntest du einmal den Husaren deine hintere Seite zeigen und den Zapfen herausziehen!" Der war mit Freuden bereit dazu. Er zog den Zapfen heraus - und da ging`s wie aus einer Feuerspritze auf die roten Husaren los, dass sie gar nicht wussten, was ihnen geschah. Als sie aber alle so übel zugerichtet waren, dass sie`s nicht mehr länger aushalten konnten, wandten sie ihre Pferde um und ritten so schnell sie konnten aufs Schloss zurück.

Als der König sie zurückkommen sah und hörte, dass sie dem Hans das Gold nicht abgenommen hatten, wurde er sehr zornig und sprach: "Das habe ich schon zum voraus gewusst, dass die gelben Husaren nichts ausrichten würden! Deshalb habe ich ausdrücklich die roten dazu bestimmt! Aber so geht`s, wenn meine Befehle nicht pünktlich ausgeführt werden!"

Unterdessen segelte Hans mit seinen Gefährten ungestört der Heimat zu und gab jedem seinen Teil von dem Golde, so dass sie alle mehr bekamen, als sie jemals in ihrem Leben verbrauchen konnten.

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Beitrag von goldie » 25.08.2009 18:58

Schicksal?

Ein junger Mann Namens Kremon lebte in der freien Grafschaft Teron. Sein Vater war der berühmte und von allen bewunderte Kommandant der Heimatgarde. So blieb Kremon nichts anderes übrig, als in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und sich an der Kriegerakademie ausbilden zu lassen.

Jedoch war sein Interesse am Feiern mit seinen Kameraden und Besuchen in den Bordellen größer, als das an seiner Ausbildung. Entsprechend mäßig waren denn auch seine Ergebnisse bei den Prüfungen in der Akademie.

Eines Nachts erschien dem jungen Krieger ein Wesen, das sich als Schicksalsfee vorstellte. Sie sprach zu ihm: „Höre junger Krieger! Dein Schicksal wird es sein, das Land vor den Horden des Bösen zu schütze und ein berühmter Held zu werden.“ Nachdem die Fee dies gesagt hatte, verschwand sie spurlos, wie sie auch gekommen war.

Kremon freute sich dies zu hören. Ein großer Held zu werden, würde ihm sicher reichlich Vorteile bringen. Und da er nun wusste, dass dies sein Schicksal ist, brauchte er nur darauf zu warten, dass es eintrifft.
So feierte Kremon in Zukunft noch mehr und machte in den Hurenhäusern die Nacht zum Tage, während er seine Ausbildung nun vollkommen vernachlässigte.

Es gingen die Monate in das Land, bis dann der große Tag kam. Die Boten brachten Kunde, dass der böse Kriegsherr Gumbor mit seiner Horde auf die Grafschaft zu marschierte.

Sofort versetzte Kremons Vater die Armee in Bereitschaft und ließ die Bauern bewaffnen. Doch noch bevor es zu der großen Schlacht kam, entsandte Gumbor eine Gruppe hinterhältiger Meuchelmörder, welche alle höheren Offiziere töteten.

In dieser verzweifelten Lage wurde nun Kremon als Sohn des besten Anführers zum Kommandanten der großen Verteidigungsarmee ernannt.
Als sich dann der Beginn der gewaltigen Schlacht näherte, wusste Kremon nicht, was zu tun war. Völlig hilflos stand er an der Spitze der Armee, hatte er doch bei den Vorlesungen über Taktik und Truppenführung nicht aufgepasst.

So wurde seine Armee zerschlagen und in alle Winde zerstreut. Er selber wurde auf der Flucht getötet. Kremons Name ging als Verlierer, Versager und Feigling in die Geschichte ein.

von Kendal von den Siebenauen

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