Auf dem Heimflug

[goldie]

Im ersten Moment zuckte Jolene zusammen, als sie Enrics sachte Annäherung spürte. Doch sie ließ ihn gewähren. Bilder der Vergangenheit wirbelten empor, schreckliche Dinge, die geschehen waren. Seine tröstenden Worte ließen sie nur noch mehr schluchzen. Sie hatte so lange keine Nähe mehr zugelassen und seine verständnisvolle Art ließ nun alles aus ihr herausbrechen. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter und ließ sich von ihm halten.

Die junge Frau bemerkte den Duros erst, als er zur denkbar ungünstigsten Zeit den denkbar unpassendsten Spruch abließ. Sie fuhr ertappt auf und blickte in seine Richtung, konnte ihn durch den Tränenschleier kaum richtig erkennen. Rüde stieß sich Enrik von sich – wesentlich heftiger als sie beabsichtigt hatte. Hastig stand sie auf, wischte sich einmal mit dem Arm über die Augen und war offensichtlich im Begriff, den Raum so schnell wie möglich zu verlassen.

[goldie]

Erst als es bereits zu spät war und Koi seinen Spruch abgelassen hatte, bemerkte Enric ihn überhaupt. Er kam nicht mehr dazu, Koi einen ärgerlichen Blick zuzuwerfen, weil Jolene ihn heftig von sich stieß. Für einen Augenblick war er voller Empfindungen. Da war Wut auf Koi, weil er mit dem Humor eines achtjährigen Kindes auf so unpassende Weise auf sich aufmerksam gemacht hatte. Aber er war auch gekränkt, weil Jolene ihn weggestoßen hatte. Was kümmerte es sie denn, was Koi dachte? Und wenn er eben glaubte, dass sie ihn leiden konnte - war das denn so schlimm? Auch schämte er sich, weil er sich irgendwie ertappt fühlte, obwohl er gar nicht fand, dass er irgendetwas getan hatte, was nicht in Ordnung war.

Aber nichts von all dem sollte in das einfließen, was er gleich sagen würde. Der Wissenschaftler würde sich zusammen nehmen. Es gab keine Gefühle. Frieden gab es. Also atmete er einmal tief durch und sagte dann zu Jolene, die im Begriff war aus der Lounge zu stürmen: "Falls du noch nicht zu deinem Bruder zurückkehren möchtest, kannst du auch in den Raum gehen, den ich mir mit Koi teile. Er und ich werden ohnehin noch etwas hierbleiben. Ich denke es gibt da einiges über zwischenmenschliche Interaktion, das er noch nicht weiß."

[goldie]

Jolene eilte schnellen Schrittes gen Ausgang, den Blick stur geradeaus. Enric konnte nicht erkennen, ob sie seine Worte wahrgenommen hatte. Doch statt nach rechts, Richtung ihres eigenen Quartiers, abzubiegen, wandte sie sich nach links. Es war unklar, ob sie das Angebot des Wissenschaftlers, seinen Raum zu nutzen, annehmen würde. Und schon war sie verschwunden…

[goldie]

Enric wandte sich an Koi. "Du hast uns ganz sicher nicht absichtlich in so eine eigenartige Situation gebracht. Du kannst eben nichts dafür, dass du unsere Spezies noch nicht so ganz nachvollziehen kannst. Es muss schwer für dich sein, all die andersartigen Gesichtsausdrücke, Gesten und Zeichen zu deuten. Lass mich dir dabei helfen, uns Menschen besser zu verstehen."

Seine Stimme war vollkommen ohne schnippischen Unterton ausgekommen, noch schien er es irgendwie böse zu meinen. Anscheinend glaubte er tatsächlich, dass Koi versehentlich so etwas gesagt hatte. Und schon begann er, dem Piloten tatsächlich ganz sachlich er erklären, was eine Umarmung bedeuten konnte. Er bezog sich nicht auf die Situation von eben, sondern versuchte seine Erläuterung so allgemein wie möglich zu halten. Dafür brachte er aber Fallbeispiele. Das förderte erfahrungsgemäß das Verständnis.

[Marsl]

Kois Gesichtsausdruck wandelte sich in sportlicher Ertüchtigung zunächst von Verwirrung, zu einem unschuldigen Lächeln, hin zu Skepsis, bis zu einem Hilfegesuch in Richtung des nunmehr leeren Durchgangs zur Freiheit.
Der Plan war offensichtlich gründlich nach hinten losgegangen. So leicht es ihm fiel andere Leute aus der Reserve zu locken und die Kontrolle über eine Situation zu gewinnen, so sehr biss er sich bei Ernesto mittlerweile die Zähne aus. Als dieser seinen schier endlosen Vortrag beendet hatte, bemerkte Koi trocken: "Du hast dich ganz schön verändert. Mir gefällt es nicht, was aber wahrscheinlich für dich spricht. Irgendwann wird eine Mission uns so richtig in die Scheiße reiten und du bist dann womöglich der einzige, der es nicht verdient hat. Wenn die anderen fragen, habe ich dich damit aufgezogen, dass du in Jolene verknallt bist."
Etwas zerknirscht hielt Koi auf den Durchgang zu.

[Anne]

"Bin ich doch gar nicht", entgegnete Enric noch, aber Koi war schon auf dem Weg nach draußen. Resigniert stellte er fest, dass er nun wieder derjenige war, der allein mit all dieser Unordnung gelassen wurde. In ihm selbst, aber vor allem auf dem Fußboden, wo der Caf sich noch immer langsam seinen Weg unter die Sitzmöbel bahnte. Es würde vielleicht einen Moment dauern, bis beides wieder in Ordnung gebracht war.