Die Sieger schreiben die Geschichte

[Anne]

"Darauf ist mein Zuhause zu sehen und meine Eltern. Wir hatten sie gemeinsam besucht."
Enric zögerte, dann sprach er weiter. "Das war allerdings, nachdem wir zusammen gekommen waren. Vielleicht willst du das auch gar nicht sehen... Es war jedenfalls so, dass... nun ja..." Er klammerte sich etwas verkrampft an seinem Becher fest. "Also das hat mich eben sehr an diesen Abend erinnert, das alles zu sehen. Deshalb habe ich kurz mit ihr getanzt." Er atmete tief durch. Wie gerne hätte Enric seiner Freundin versichert, dass absolut nichts dabei gewesen wäre. Aber das wäre eine Lüge gewesen, die er Jolene nicht auftischen wollte. "Ich weiß jetzt, dass das falsch von mir war. Ich habe mich dann auch direkt verabschiedet und bin zu Bett gegangen. Entschuldige bitte."
Reumütig suchten seine braunen Augen ihren Blick.

[goldie]

Nur langsam wurde Jolene die Tragweite dessen, was er ihr gerade gestanden hatte, bewusst. Sie starrte ihn schockiert an. Der Becher entglitt ihren zitternden und polterte dumpf zu Boden. "Nein...", flüsterte die junge Frau.

Sie stand auf, ging einige Schritte weg, stützte sich ab einem Baum ab und versuchte verzweifelt um Fassung zu ringen. Sie hatte gedacht, dass sie sicher vor Dr. Horrain war. Doch diese trieb offensichtlich Spielchen mit ihrem Unterbewusstsein. Sie versuchte ihr Enric zu entreißen, damit sie die Wahnvorstellung aufgab. Jolene hatte keine vollkommene Kontrolle über ihren Liebsten, er war ihre Schwäche. Der Angriffspunkt für ihre behandelnde Ärztin.

"Ich dachte, ich bin stark genug", stammelte Jolene halblaut. Es war nicht wirklich für Enric bestimmt. Sie bekam gar nicht mit, was dieser gerade tat.

[Anne]

Enric stand auf und ging vorsichtig auf Jolene zu. Das Gespräch war überraschend schnell gekippt. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Er hatte angenommen, dass sie zornig werden würde. Vielleicht sogar dass er sich gleich seine zweite Ohrfeige einhandeln würde. Aber ihre Verzweiflung traf ihn viel mehr.
"Liebes...", sprach er sie leise an und berührte behutsam Jolenes Arm. "Es war nur ein Tanz. Wir haben uns nicht geküsst oder so etwas. Und ich habe mich doch für dich entschieden..."

[goldie]

"Ich weiß wie du tanzt..." Sie sah ihn nicht an. "Ich hätte nicht gedacht, dass sie eine Chance über dich hat." Jolene fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Sie war wieder sicher genug auf den Beinen, um auf und ab zu tigern. Sie dachte nach, blieb plötzlich stehen und schaute ihn dann ernst an. "Du darfst sie nicht wiedersehen, es ist zu gefährlich."

[Anne]

"Dass sie eine Chance über mich hat...? Was soll das überhaupt bedeuten?", fragte er irritiert. Als Jolene ihm verbot, Auren wiederzusehen schaute er sie entsetzt an. "Das ist doch sicher nicht dein Ernst? Doch nicht wegen eines albernen kurzen Moments? Ich habe dir doch gesagt, dass ich mit dir zusammen sein will!"

[goldie]

"Verstehst du das nicht? Sie wird niemals locker lassen, uns auseinander zu treiben." Jolene klang verzweifelt. "Ich will nicht in mein altes Leben zurück!" Ihre Stimme wurde panischer. "Wenn du mich wirklich liebst, darfst du dich niemals mehr mit ihr treffen!"

[Anne]

"Was meinst du damit, dass du nicht in dein altes Leben zurück willst? Was hat diese Situation denn damit zu tun?", fragte er angespannt.

[goldie]

Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Erwog, ihn anzulügen. Ihn eine abstruse Geschichte aufzutischen, dass Auren eine feindliche Agentin war. Doch das war selbst für Jolene zu hanebüchen.

Sie dachte an ihren Vater, der womöglich wieder in ihr Leben treten und so gar nicht erfreut über ihren Verrat sein würde. Zitternd sank sie zu Boden. "Ich werde verfolgt", erzählte sie ihrer Meinung nach wahrheitsgemäß, als sie an ihren Vater dachte. "Du bist der einzige, der mich beschützen kann. Auren steckt in dieser Verschwörung mit drin. Wenn sie dich um den Finger gewickelt hat, wird er mich zurückholen. Weil du es dann nicht mehr verhindern wirst." Verzweifelt schaute sie ihm in die Augen. "Ich weiß, du verstehst nicht, wovon ich rede. Ich kann dir nicht mehr darüber sagen. Wenn ich dir wirklich wichtig bin, musst du mir einfach vertrauen." Selten hatte Enric Jolene so am Boden zerstört gesehen.

[Anne]

"Oh", entfuhr es Enric zunächst nur. Ein paar Augenblicke lang schienen ihm die Worte zu fehlen. Er sah seine Freundin zunächst besorgt an, dann wirkte er sehr niedergeschlagen. Schließlich trat er auf Jolene zu und nahm sie in den Arm.
"Hab keine Angst. Versuch, dich zu beruhigen, okay? Und dann setzen wir uns und du erzählst mir alles: wer dich verfolgt, worum es bei der Verschwörung geht und wer er ist, ja?"

[goldie]

Enric hielt seine Freundin eine ganze Zeitlang im Arm. Anfangs zitterte sie stark. Sie dachte darüber nach, was sie Enric erzählen konnte und was nicht. Ihre Panik verhinderte, dass sie einen klaren Gedanken fassen konnte. Als sie sich schließlich beide setzten, hielt sie weiterhin seine Hand umklammert. Ihre Haut war eiskalt. Sie starrte zu Boden und begann schließlich zu sprechen.

"Du musst mich für völlig verrückt halten und ich kann es dir nicht verdenken", sagte sie leise. "Je mehr ich dir sage, desto unglaubwürdiger klinge ich für dich." Sie sah ihn mit einem flehenden Blick an. "Akzeptiere doch einfach, dass es so ist, wie ich es sage. Solange du dich Auren nicht näherst sind wir beide sicher. Aber wenn sie es schaffen würde, dich um den Finger zu wickeln..." Sie schauderte. Dann kam ihr eine Idee und sie sprach eindringlich auf Enric ein: "Denke jetzt ganz genau nach, was Auren gemacht hat, als ich nicht mehr da war. Hat sie schlecht über mich gesprochen? Hat sie darauf bestanden, Zeit mit dir zu verbringen? Hat sie alte Geschichten aufgewärmt? Als sie dir die Holos gezeigt hat, hat sie davon geschwärmt, wie schön es damals mit dir war? Vielleicht waren es auch nur ganz subtile Signale. Du bist doch so intelligent, dir muss doch was aufgefallen sein!" Es war offensichtlich, dass es ihr sehr wichtig war, dass er ihre Fragen beantwortete.

[Anne]

Enric bemühte sich, Ruhe und Zuversicht auszustrahlen. Er wollte Jolene nicht aufregen. Dennoch war es ihm nicht möglich ihr eine Antwort zu geben, die sie wirklich beruhigend finden würde.
"Du verlangst sehr viel von mir, wenn du andeutest, dass du in Gefahr bist und dass es eine Verschwörung gibt, mir dann aber nichts darüber sagen willst. Würdest du das einfach so hinnehmen, wenn du an meiner Stelle wärst? Stell dir vor, ich würde von dir verlangen Ria oder Corbyn niemals wieder zu treffen und dir nicht erklären, warum."
Er dachte über die Fragen bezüglich Auren nach, die Jolene ihm gestellt hatte, dann antwortete er: "Ich weiß, es wäre leichter für dich zu ertragen, wenn das alles von Auren ausgegangen wäre. So war es aber nicht. Sie wollte eigentlich gar nicht mit mir allein sein." Weil sie befürchtet hat dass du sie sonst umbringen wirst, fügte er in Gedanken hinzu, aber das fiel wohl in die Kategorie 'schlecht über jemanden reden'. Das zuzugeben hätte Jolene nur in ihrem Wahn bestärkt. "Ich habe sie dann jedenfalls überredet mit mir auf einen Patrouillengang zu gehen. Ich war es auch, der sie darum gebeten hat mir Holos von früher zu zeigen. Und ich habe sie auch aufgefordert, mit mir zu tanzen. Nichts davon war ihre Schuld. Ich war es, der die falschen Entscheidungen getroffen hat an diesem Abend. Ich kann an dieser Stelle nur nochmals um Entschuldigung bitten."

[goldie]

Jolene fuhr sich abermals durch die Haare. Wünschte sich etwa ein Teil von ihr in die Realität zurück und suchte Enric deswegen Aurens Nähe?

"Warum bist du nur so stur und glaubst mir nicht einfach?" fuhr sie ihren Freund an. "Dass du ihre Nähe gesucht hast, macht es keinen Deut besser. Im Gegenteil! Das macht dich noch anfälliger für ihre Tricks! Du willst wissen, ob ich um deinetwillen auf Corbyn und Ria verzichten würde?" Sie lachte freudlos auf, weil sie das längst getan hatte. Doch das konnte sie Enric unmöglich gestehen. "Wenn du dir sicher bist, dass es der einzige Weg ist, damit kein großes Unglück passiert, dann würde ich jeden für dich zurücklassen. Egal wen." Tränen traten in ihre Augen, als sie daran dachte, dass sie ihre echten Brüder aufgegeben hatte.

"Ich weiß doch, dass ich viel von dir verlange. Aber es geht einfach nicht anders." Sie spürte selbst, dass sie sich mit ihrer Argumentation in Kreis drehte. "Pass auf, wir machen es so: Du gibst mir das Artefakt und ich werde die Archäologen zurückbringen. Dann brauchst du dir keine Sorgen mehr um sie zu machen. Okay?" Verzweifelte Hoffnung stand in ihrem Gesicht.

[Anne]

Enric schüttelte den Kopf. "Du brauchst nicht zu gehen. Aber ich werde es auch nicht tun. Ich kann dich hier nicht so zurück lassen. Ich werde Owen bitten, die Archäologen zu holen. Er hat auch ein Lichtschwert und könnte die Reeks vertreiben. Da er sowieso etwas für solche Kreaturen übrig hat war er von Anfang an die bessere Wahl dafür. Akaavi will ich das im Moment nicht zumuten. Der Junge hat genug mitgemacht heute."
Er strich Jolene über den Rücken und sah sie bedauernd an: "Hätte ich gewusst, dass dich das so aufwühlt, hätte ich gar nichts gesagt."

[goldie]

"Danke", flüsterte Jolene und fiel Enric um den Hals. Sie ließ sich abermals von ihrem Freund halten. Die Tränen liefen über ihre Wangen und sie schluchzte. Doch diesmal waren es Tränen der Erleichterung.

[Anne]

Gut, immerhin hatte sie sich auf diesen Kompromiss eingelassen. Enric vertraute ihr nicht genug wenn sie in diesem Zustand war um nicht zu befürchten, dass sie Auren doch noch gefährlich werden könnte. Als Auren ihm gesagt hatte, dass sie fürchtete von Jolene umgebracht zu werden hatte er das noch als abwegig abgetan. Inzwischen war er sich da nicht mehr ganz sicher. Hoffentlich konnte er Owen davon überzeugen, dorthin zu gehen und hoffentlich funktionierte das Artefakt überhaupt.
Enric ließ Jolene eine Weile Zeit, um sich zu beruhigen. Dann sagte er: "Auch, wenn ich nicht mehr mit ihr reden darf möchte ich dennoch, dass Auren mit nach Gateway kommt. Sie ist da draußen nicht sicher. Ich muss sie dafür auch gar nicht sehen. Meinetwegen kann sie auf der Velaceraptor dorthin fliegen und wir auf der KAV 1. Und wenn sie dort ist wird sie ja in der Stadt leben und wir wohnen im Praxeum. Bitte gewähre mir wenigstens das."