Nur ein Traum

[goldie]

"Wäre gut gewesen, hättest du es getan", murmelte sie auf die Bemerkung zu Akaavi.
"Tjonne hieß unsere Tochter. Du hast mich sieben Jahre quasi allein mit den Kindern gelassen. Dann hast du mich wahrscheinlich jahrelang mit deinen Assistentinnen betrogen, ihr Tal-She habt ohne mich das Xar-Kling-Shar besiegt, alle haben sich über mich lustig gemacht und zu guter Letzt hat Akaavi sich als Spion des KdwM herausgestellt, der unsere Kinder gegen uns aufgebracht hatte und sie mitnehmen wollte. Und niemand war da, um mich zu unterstützen", schloss sie bitter. Als sie an den Abschied von Tjonne dachte, schossen ihr wieder Tränen in die Augen.

[Anne]

"Bevor ich zulassen würde, dass irgendjemand unsere Kinder zum Kreis der wahren Macht bringt, würde ich lieber sterben! Außerdem würde ich dich doch nicht sitzen lassen, wenn wir ein gemeinsames Kind hätten. Selbst wenn es aus Versehen entstanden ist", verkündete Enric. Dann wurde ihm klar, dass Jolene es so auslegen könnte, dass er gemeinsamen Kindern zustimmte. Deshalb fügte er hinzu: "Aber das ist alles unrealistisch. Akaavi ist unser Freund. Zumindest deiner. Ich arbeite noch daran. Und niemand würde es wagen, dich auszulachen. Ich wüsste auch gar nicht, was es da zu lachen gäbe. Und was diese Affären Sache angeht... Ich sage es dir immer wieder. Ich will das natürlich nicht aber selbst wenn... Ich bin bei Frauen wirklich nicht so angesagt, wie du denkst. Aber abgesehen davon ist deine Story eigentlich ganz spannend. Vielleicht solltest du Mal so ein Theaterstück schreiben."

[goldie]

Jolene lachte freudlos auf. "Stoff genug für diverse Holodramen und meinetwegen auch Theaterstücke hätte ich jedenfalls." Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. "Was, wenn dein Tod deine Kinder nicht retten würde? Ich habe mich für die Sklaverei entschieden, um zumindest bei ihnen bleiben zu können. Zumindest Tjonne konnte ich retten, indem ich ihr kleines Herz gebrochen habe", seufzte Jolene. "War das feige? Vielleicht hätte ich im Kampf doch eine Chance gegen ihn gehabt."

[Anne]

"In einem Scenario wo du offenbar seit sieben Jahren mehrheitlich Mutter warst und er ein geheimer Spion des Kreises der wahren Macht? Wohl kaum... Tja, wenn etwas anderes als Kampf sinnvoller ist, wähle ich in der Regel ja auch diese Alternative. Ich bezweifle allerdings, dass dieser Traum-Akaavi irgendein Interesse daran gehabt hätte, mich zu versklaven. Was soll das überhaupt heißen, dass du dich für Sklaverei entschieden hast? Du bist dann mit ihm und unseren Kindern durchgebrannt? Ach, vielleicht will ich das gar nicht so genau wissen. Wie viele Kinder hatten wir eigentlich?"

[goldie]

"Ich glaube, du willst das tatsächlich nicht wissen. Nur so viel, was immer da passiert ist und noch wäre, ich habe ihn gehasst und verabscheut." Jolene biss sich auf die Lippen, als sie wieder an den Kuss denken musste. Sie wischte sich geistesabwesend mit dem Handrücken über den Mund und verschmierte Blut. Hier, im rötlichen Licht, war davon nichts sichtbar, doch später mochte es womöglich jemandem auffallen.

"Ich hätte einen Zeitpunkt gefunden, bei dem er unachtsam gewesen wäre. Und dann hätte ich ihn getötet. Und wenn ich Machtblitze einsetzen hätte müssen." Jolenes Gesicht war sehr ernst und entschlossen. Die Antwort nach der Anzahl der Kinder blieb sie Enric schuldig.

[Anne]

"Okay... Das klingt schlimm. Hattest du irgendwie Streit mit Akaavi, bevor wir losgeflogen sind?", fragte er.

[goldie]

"Nein, hatten wir nicht. Der Traum war einfach darauf aus, dass wirklich alle, an denen mir was liegt, mich verraten haben. Ich hatte nur noch unsere Kinder und selbst die waren gegen mich, weil mir rausgerutscht war, dass sie ein Fehler waren. Tjonne habe ich runtergemacht, dass sie viel zu schwach für den KdwM ist. So konnte wenigstens sie fliehen. Sie konnte sich unsichtbar machen, deswegen hat Akaavi sie nicht erwischt. Naja, Keeran und Corbyn waren von ihm längst gehirngewaschen und so konnte ich nicht anders, als das Angebot anzunehmen und mit ihnen zu gehen. Dreckstraum. Ich hatte gehofft, wenigstens nach gestern mal durchschlafen zu können."

[Anne]

"Wir hatten drei Kinder?" Enric konnte jetzt zumindest im Ansatz verstehen, weshalb er offenbar sieben Jahre lang kaum zu Hause gewesen war. "Das klingt insgesamt wirklich nach einem schlimmen Traum. Aber weißt du, da ist nichts dran. Wie gesagt, ich träume auch allen möglichen Unfug zusammen. Wie zum Beispiel neulich... Da hast du mich im Traum betäubt und zu dieser Hexe Brene gebracht. Ihr habt mich eingesperrt. Ich sollte mir aussuchen, ob ich dich wähle oder ein wertvolles archäologisches Fundstück. Das war natürlich leicht. Ich habe mich für dich entschieden. Aber du wolltest lieber bei der Hexe bleiben und dich einige Jahre von ihr unterrichten lassen." Den unwesentlichen Teil des Traums, dass er versucht hatte, sie zu verlassen, erwähnte er lieber nicht.

[goldie]

"Warum träumt man nur so einen unrealistischen Banthamist?" Endlich rutschte sie nun doch an Enric heran und suchte seine Nähe.

[Anne]

"Vielleicht damit wir merken, wie gut wir es in der Realität haben. Da ist es nämlich ganz anders", sagte Enric. Da Jolene seine Nähe offenbar wieder zuließ, beschloss er sie aufzuheben und ins Bett zurück zu tragen. Sie würde sich noch den Tod holen, wenn sie die ganze Nacht hier draußen saß.

[goldie]

Jolene überlegte, ob sie protestieren sollte, getragen zu werden. Doch in dieser Situation fühlte es sich so gut an. "Du bist stark geworden", murmelte sie und schmiegte sich an ihn. "Nein, da lang." Sie zeigte aufs Aufenthaltszelt.

[Anne]

"Danke", erwiederte er. Seiner Meinung nach hing es auch damit zusammen, dass sie sehr leicht geworden war, dass er sie besser tragen konnte. Aber tatsächlich war er noch nie so gut trainiert gewesen wie zur Zeit. Er trug sie ins Aufenthaltszelt und kochte einen Tee.

[goldie]

Jolene beobachtete ihren Freund. Als er ihr den Tee servierte, fragte sie: "Würde es tatsächlich so aussehen wie im Traum, wenn ich ein Kind bekäme? Ich sitze allein zu Haus und kriege dich nie zu Gesicht?"

[Anne]

Er setzte sich und überlegte eine ganze Weile. "Ehrlich gesagt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt vermute ich, dass das recht wahrscheinlich ist. Nicht, weil ich das wollen würde. Wenn ich ein Kind hätte, würde ich es natürlich auch aufwachsen sehen wollen. Ich würde ihm alles beibringen und dich unterstützen wollen. Aber ich würde wahrscheinlich auch eine enorme Verantwortung fühlen, diese Galaxis für mein Kind zu einem sicheren Ort zu machen. Also würde ich alles daran setzen, das Xar-Kling-Shar zu zerstören. Auf solche Missionen könnte das Kind unmöglich mitkommen. Das wäre viel zu gefährlich. Also müsstest du mit ihm auf Gateway bleiben, wo es sicher ist. Falls wir also irgendwann über Nachwuchs nachdenken, sollte der Zeitpunkt günstig gewählt sein. Wenn das Xar-Kling-Shar besiegt ist und die TechSig keine Bedrohung mehr sind, können wir eventuell mal darüber reden. Aber ich verspreche dir nichts. Du weißt, dass das eigentlich nicht meine Wunschvorstellung für mein Leben ist. Zumal dann auch immer noch der Kreis der wahren Macht existieren würde. Und der könnte tatsächlich eine Bedrohung für unseren Spross werden."

[goldie]

"Verstehe." Jolene trank nachdenklich von ihrem Tee. Das war das erste Mal, dass er in Betracht zog, ein Kind mit ihr zu bekommen, fiel ihr auf. Eine Pause des Schweigens entstand.