Nachtwache

[goldie]

Enric fiel es in dieser Nacht leicht, Jolene zu wecken. Es war offensichtlich, dass sie die Schlaftropfen nicht genommen hatte. Der vielsagende Blick von Enric diesbezüglich bemerkte Jolene zwar, doch sie schwieg. Wie sonst packte sie ihr Feldbett zusammen, zog sich ihre Rüstung an, sammelte ihr Waffenarsenal zusammen und ging mit Enric Richtung Bohrloch.

Nun brach sie doch das Schweigen. "Es tut mir leid. Ihr hattet Recht. Es war Absicht, dass ich gestern das Schlafmittel nicht genommen habe. Ich weiß ja, dass es besser wäre, es zu tun. Aber ich könnte mir das niemals verzeihen, wenn dir nachts etwas passiert, nur weil ich mal durchschlafen wollte." Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. "Das verstehst du doch, oder?"

[Anne]

Er nahm ihre Hand. "Ich verstehe, dass du den Wunsch hast, so zu handeln, um dir eine Illusion von Kontrolle zu verschaffen. Aber wie ich bereits sagte, finde ich das nicht gut. Es ist meiner Sicherheit vermutlich viel zuträglicher, wenn du am Tag ausgeschlafen bist und dementsprechend dein Potential besser nutzen kannst. Wenn ein Notfall passieren würde, würden wir dich in der Nacht auch aufwecken können, wenn du das Schlafmittel eingenommen hast."

[goldie]

Jolene hielt im Gehen seine Hand fest und dachte nach. Schließlich sagte sie: "Gestern war ich ausgeschlafen. Trotzdem hatte ich eine Panikattacke und hätte beinahe noch Machtblize auf dieses Dreckding geschleudert. Wenn du nicht so ruhig geblieben wärst... Dann wäre übel ausgegangen."

[Anne]

"Na ja ich weiß nicht ob Panikattacke dafür der richtige Begriff ist. Die Situation, in der wir uns befunden haben, war nun Mal absolut angsteunflößend. Eine Panikattacke macht einen handlungsunfähig. Wir aber haben ja zumindest noch unser bestes gegeben. Ich hatte selbst auch ziemliche Panik, als ich gesehen habe, wie diese Ausgeburt der Finsternis seine Tentakel nach dir ausgestreckt hat. Vielleicht hast du es mir nicht so angemerkt, aber ich bin da unten fast wahnsinnig geworden. Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass ich einem weiteren Angriff dieses Wesens nicht hätte standhalten können. Da war es gut, dass du entdeckt hast, dass wir unsere Jer zer Shars mit der hellen Seite zum Leuchten bringen können. Das hat uns wahrscheinlich wirklich gerettet."
Er drückte ihre Hand und schaute sie mit einem Blick an, den man durchaus als dankbar oder stolz deuten könnte.

[goldie]

Kurz lächelte sie, ihr Blick war voller Liebe.

"Ich habe auf jeden Fall gemerkt, dass es dir nicht gut ging. Das muss schlimm gewesen sein, was du da gefühlt hast." Sie atmete durch. "Hat das Meditieren denn geholfen? Dass du auch was von dem Stoff haben wolltest, verheißt jedenfalls nichts Gutes."

[Anne]

"Das meditieren hat geholfen. Und das anschließende Training auch. Darum wollte ich nicht gleich den Computerkern mit dir analysieren. Ich habe etwas Zeit benötigt, um darüber hinweg zu kommen. Auch Mal etwas VERarbeiten, anstatt einfach nur zu arbeiten, hat Xid Mal zu mir gesagt. Mit dem Schlafen ging es dann eigentlich auch ganz gut. Ich weiß auch nicht, warum ich in dem Moment schwach geworden bin. Wahrscheinlich weil alle behaupten, dass es nicht süchtig macht und weil der Tag so schrecklich war. Denn das war in der Tat schlimm, was ich da wahrgenommen habe. Ich frage mich immer noch, wessen Stimme das war, die mich gerufen hat. Sie hat meinen Namen gerufen..." Für einen Moment wirkte er wieder ein wenig verstört, als die Erinnerungen erneut in ihm aufwallten. Dann schien er sich jedoch wieder beruhigen zu können. "Je mehr ich mich bemühe, mich von der dunklen Seite zu entfernen, umso mehr nähere ich mich ihr an. Es ist als ob man versucht aus einem Morast heraus zu schwimmen. Jeder Versuch zu entkommen zieht einen nur noch tiefer hinein", murmelte er kaum hörbar doch merklich frustriert.

[goldie]

Sie strich ihm sanft mit der Hand über die Wange. "Hey, wir kriegen das schon zusammen hin. Ich kenne das Gefühl, diese Ausweglosigkeit. Egal, was man macht, das eine scheint noch schlimmer zu sein als das andere. Aber ich bin für dich da. Ich lasse nicht zu, dass dich die Dunkelheit verschlingt und ich weiß, dass du das auch bei mir nicht zulassen würdest. Wir haben beide bei Xid so viel gelernt. Dazu die ganzen Meditationstechniken. Ja, es war gestern sehr schlimm. Ich war auch kurz davor einfach zusammenzubrechen, weil es so unglaublich anstrengend war. Aber trotz allem, als Team haben wir es geschafft. Du hast mich auf die richtige Idee gebracht und dadurch könnten wir dem Drecksding so richtig in den Arsch treten." Jolene schenkte Enric ein aufmunterndes Lächeln.

[Anne]

"Danke." Er lächelte zögerlich zurück. "Ich verstehe bloß nicht, woher das kommt. Ich habe nie daran geglaubt, dass die dunkle Seite eine Gefahr für mich werden könnte. Erst recht nicht, nachdem ich mich von ihr abgewandt hatte. Ja okay, zu Anfang fiel es mir schwer, sie nicht einzusetzen. Aber in letzter Zeit habe ich immer darauf verzichtet. Nur im Kampf... Da gelingt es mir einfach noch nicht. Und überhaupt merke ich ja selber, dass ich manchmal ziemlich reizbar bin und alles andere als gelassen. Das lässt mich eben alles nicht kalt hier."
Enric schaute sich um, ob ihnen jemand zuhören könnte. Obwohl er niemanden entdeckte, senkte er seine Stimme, sodass nur Jolene ihn hören konnte. "Auch wenn ich gesagt habe, dass ich die Bevölkerung hier für den Kampf gegen das Xar-Kling-Shar opfern würde, glaube nicht, dass mir das leicht fällt. Natürlich ist es unendlich aufwühlend allein darüber nachzudenken, dass wir so eine Entscheidung treffen müssen. Ich habe schon überlegt, ob wir den Dorfbewohnern doch jetzt schon sagen, dass sie gehen müssen. Vielleicht könnten wir behaupten, herausgefunden zu haben, dass hier bald ein Vulkan ausbrechen wird. Das ist ja auch nicht ganz verkehrt. Ihre Häuser könnten sie mitnehmen. Wenn wir es jetzt schon angehen könnten wir möglicherweise sogar auf Gateway Gewächshäuser für ihre Pflanzen errichten, die sie anbauen. Dafür benötigen wir nur ausreichend von der Legierung hier. Was hältst du davon?"

[goldie]

Jolene flüsterte nun ebenfalls. "Ich weiß doch, dass dich das nicht kalt lässt. Du sprichst einfach nur die Wahrheit aus: 200 Leben sind weniger wert als alle Leben in der Galaxis. Das ist hart, aber nun mal Fakt. Ich sehe das doch wie du. Ich hatte einfach nur gehofft, dass jemand eine Idee hat, wie man beides retten kann. Es sind einfach zu viele durch mich gestorben, da will ich zumindest die retten, wo es in meiner Macht steht." Sie seufzte und atmete durch.

"Ich finde deinen Vorschlag gut. Zusammen mit der Bohrcrew können wir Daten fälschen und das der Bevölkerung vorlegen. Es muss etwas sein, bei dem es kein Zweifel gibt, dass hier bald alles den Bach runtergeht. Und wir müssen den Transport der Leute organisieren. Das Metall brauchen wir doch gar nicht. Auf Gateway werden sie genug Möglichkeiten haben, Geld zu verdienen und trotzdem unabhängig zu sein. Ich will nicht mit dem Leben der Leute hier spielen. Wenn wir so einen Plan umsetzen können, dann lass uns das tun."

[Anne]

Enric nickte. "Wichtig wird dabei auch sein, dass sie nicht ahnen, dass wir diese Gefahr erst auslösen. Sie sollten im Idealfall denken, dass sie Glück haben, dass wir gerade hier sind und ihnen das sagen. Sonst fangen die Leute noch unnötig Streit an und das wäre wohl für niemanden gut. Wegen des Metalls... Ich dachte, dass es ihnen die Zukunftsängste nehmen könnte, wenn sie auf einem neuen Planeten ankommen und direkt Jobs haben und das tun können, was sie ihr ganzes Leben lang gemacht haben. Möglicherweise ist es bedeutsam für diese Leute, das weiter zu machen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie es beunruhigend finden, in einer fremden Heimat erst einmal eine völlige berufliche Neuorientierung vollziehen zu müssen."

[goldie]

Jolene zuckte mit den Schultern: "Ist vielleicht gar kein schlechter Gedanke. Und die Bohrcrew kann dann auch was tun für ihr Geld, nämlich das Metall rausschweißen. Aber damit unser Plan aufgeht, muss Dash auf jeden Fall mitspielen. Da reicht es nicht, wenn ich mich bei den Mädels einschleime... Hmm... Weißt du denn, womit er sich überzeugen lässt? Du hast dich doch schon häufiger mit ihm unterhalten. Vielleicht dass wir ihm neue Aufträge verschaffen? Vielleicht kriege ich das aber auch über die Mädels raus." Ein durchtriebenes Lächeln umspielte Jolenes Mundwinkel. Anscheinend hatte sie Blut geleckt bei dem Gedanken, endlich wieder etwas infiltrieren zu können.

[Anne]

"Du überschätzt meinen Draht zu Dash wirklich. Er hält mich für einen naiven Trottel, der nur irgendwie ein bisschen albern und nett ist, weshalb man sich um ihn kümmern sollte. Ich bin für den nichts weiter als ein aus dem Nest gefallener Porg. Ich brauche gar nicht versuchen, mit dem zu verhandeln. Das geht sowieso jedes Mal schief. Besser wird es sein, wenn du da etwas raus bekommst, worauf wir aufbauen können." Auch er lächelte bei seinem letzten Satz, aber vielleicht ein wenig mehr weil er sich über seinen Einfall freute, Jolene zum "infiltrieren" zu schicken, als über die Sache selbst. Er hoffte nur, dass er Biala nicht so furchtbar verschreckt hatte, dass sie nun auch von Jolene nichts mehr wissen wollte.

[goldie]

"Lass mich mal machen." Jolene schien sich wirklich zu freuen. Dann wurde sie sogleich wieder ernst.

"Wegen der dunklen Seite..." Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. "Du bist zumindest einen bedeutenden Schritt weiter, wenn du nicht mehr annimmst, sie könnte dir nicht mehr gefährlich werden. Auch wenn du dich abgewendet hast. Ich glaube, das macht dich einfach sensibler und vorsichtiger. Das geht ja schon los, die Macht nicht bei irgendwelchen banalen Dingen einzusetzen, schon gar nicht hier auf dem Planeten. Und was glaubst du, was ich instinktiv gemacht habe, als dieses Dinge auf mich zugerast kam?" Ein Schaudern durchfuhr Jolenes Körper, als sie daran zurückdachte. Sie atmete durch. "Du bist jedenfalls nicht allein damit, dass du es nicht immer kontrollieren kannst. Aber was können wir denn tun, als immer wieder unser Bestes zu geben? Versuchen, ruhig zu bleiben in solchen Situationen. Deswegen trainieren wir ja. Nicht, weil es so toll ist, ein Jedi zu sein. Nein, weil der Weg der Jedi hoffentlich verhindert, dass wir beide rückfällig werden. Ich glaube, es ist gut, wenn wir miteinander darüber sprechen. Der Doc meinte in seinem Brief, dass ich auch mal mit anderen Leuten reden sollte. Aber was er nicht versteht, bei diesem Thema kann einfach kein anderer mitreden als wir beide. Jedenfalls kein Syron, Owen oder Koi."

[Anne]

"Es kann manchmal auch ganz erfrischend sein, die Perspektive eines völlig Außenstehenden zu hören oder das einfach zu erzählen, ohne zu erwarten eine Lösung zu finden. Es reicht ja manchmal, wenn man jemanden hat, der einem zugehört hat. Außerdem wäre ich mir zumindest bei Owen nicht so sicher. Der hat auch schon gesagt, dass er Angst vor der dunklen Seite hat. Deshalb nimmt er doch jetzt diese Jedi Ausbildung so plötzlich ernst. Nur weil Testoserowen uns das nicht auf die Nase bindet, wenn er Probleme hat, heißt das nicht, dass er keine hat. Und tja, Syron fällt es auch nicht ganz leicht über irgendetwas zu sprechen. Ich meine, er hat beim Kampf die Flucht angetreten und ist erst Tage später mit der Information herausgerückt, dass die Sicherheitsstufe zwei sich auf ihn bezogen hat. Es tut der Gruppe nicht gut, dass keiner sich traut offen zu reden. Ob es um das Kor geht, oder um sonst irgendetwas...", fand Enric.

[goldie]

Jolenes schmunzelte: "Testosterowen..."

"Aber mal ernsthaft. Was soll es denn bringen, mit den anderen über solche Dinge zu reden. Wie du schon sagst. Die können das nicht. Und die sind auch keine Hilfe, wenn man denen etwas erzählt. Ich meine, wenn du mit Owen sprichst, kannst du die Dinge genauso gut in dein Datapad schreiben. Und Syron... Keine Ahnung. Das einzige mal, wo ich mich wohl an ihn gewendet habe, hat er mein Gedächtnis gelöscht. Wer weiß, was er das nächste Mal anstellt. Von Koi ganz zu schweigen. Der ist ja zu seiner alten Bissigkeit zurückgekehrt. Hatte mich schon gefragt, wie lange er diese Psychomasche durchhält."