Jolenes Plan

[Anne]

"Kulturbanausin", sagte er grinsend und lehnte sich vor, um sie zu küssen. Mittlerweile war er glücklicherweise den penetranten Geschmack aus der Höhle los geworden.

[goldie]

Jolene genoss dem Kuss. "Von wegen Banausin. Komm, ich tanze sogar nochmal mit dir." Sie stand auf. "Ach ja, die anderen denken, wir haben was wichtiges zu besprechen." Jolene schaltete noch einmal auf das passende Lied. "Heute Nacht konnten wir den Tanz ja nicht richtig auskosten."

[Anne]

"Wieso? Weil es nicht zu dem Abschluss kam, den wir dann im Sinn hatten?", fragte er, während er die Tanzposition einnahm und begann, Jolene zu führen.

[goldie]

"Jetzt haben wir jedenfalls Zeit. Jedenfalls bis zu Wachwechsel, aber bis dahin haben wir noch ein paar Stunden." Sie ließ sich von ihrem Freund führen, ganz wie im Lehrbuch. "Kann bei dir eigentlich jeder tanzen oder ist das bei euch was besonderes?"

[Anne]

"Kommt drauf an, was du mit 'bei mir' meinst. Auf Recopia? Nein. Aber in meinem sozialen Umfeld, an der Universität und im Bekanntenkreis meiner Eltern ist es schon sehr verbreitet, das zu können."
Er ließ sie eine Drehung machen und schloss sie dann wieder in die Arme. "Und wie ist das bei dir eigentlich so? Du tust oft so, als hätte ich irgendwie besonders gelebt. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ihr euch durch eure... Erwerbstätigkeit auch nicht gerade finanzielle Sorgen machen musstet. Ich meine, dein Spitzname war Princess. Es hörte sich oft so an, als hättest du früher alles bekommen, was du wolltest. Vermutlich warst du als Kind und Jugendliche sogar verwöhnter als ich."

[goldie]

"Hmm... Vielleicht als Kind. Mein Vater wollte, dass es mir gutgeht, nachdem Ma tot war. Als ich älter war, war unsere Beziehung zwar eine ganz besondere, aber verwöhnt wurde ich nicht. Es gab keinen besonderen Luxus."

[Anne]

"Eure Beziehung war eine ganz besondere, so so", wiederholte Enric vielleicht ein wenig spöttisch. Wer sagte so etwas schon über die eigenen Eltern? Es klang jedenfalls merkwürdig.
"Und als luxuriös würde ich meine Verhältnisse nun wirklich auch nicht beschreiben. Ich meine klar, uns ging es besser als wahrscheinlich den meisten Leuten in der Galaxis. Wir hatten eine wunderschöne Wohnung ganz oben in einem Hochhaus mitten in der Stadt. Unsere Haushaltsdroiden waren vermutlich auch nicht die günstigsten Modelle. Aber abgesehen davon habe ich früher auch keinen Kaviar gefrühstückt." Jetzt musste er plötzlich schmunzeln. "Stell dir vor, einmal habe ich geträumt, dass wir bei mir Zuhause waren. Wir hatten einen Butler. Wie idiotisch... Das kam wahrscheinlich von der Serie, die wir Mal abgesehen haben. Da kam so einer vor. Du hast im Traum jedenfalls gesagt, dass ihr selbstverständlich auch einen hattet."

[goldie]

"Was, einen Butler? Nein, wir hatten auch Droiden. Streng gesichert natürlich. Es durfte ja nie nach außen dringen, was bei uns besprochen wurde. Naja, die guten alten Zeiten." Versonnen dachte sie zurück.

[Anne]

"Ich wollte dir das nur Mal gesagt haben, dass wir eigentlich ziemlich normal gelebt haben. Weil ich irgendwie ein komisches Image bei euch habe. Damit du nicht enttäuscht bist, wenn wir nach Recopia kommen und dich kein Schloss mit schneeweißen Tauntauns davor erwartet", scherzte er.
"Aber ich verstehe auch nicht, wie ihr offenbar relativ erfolgreich sein konntet in eurem Gewerbe ohne entsprechende Kontakte zur Oberschicht eurer Gesellschaft. Wäre es euren Zwecken nicht dienlich gewesen, gebildet zu sein, tanzen zu können, etwas von Etikette zu verstehen und solche Sachen eben?" Dass er ihre Familie quasi als ungebildet bezeichnet hatte, schien ihm entgangen zu sein. "Das hätte euch vielleicht die ein oder andere Tür geöffnet."

[goldie]

Jolene hielt inne. Sie löste sich plötzlich aus seinen Armen, drehte sich um und ging von ihm weg zum Tisch. Einen Moment später war die Musik ausgeschaltet. Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Sie drehte sich wieder um, in der Erwartung, dass er ihr gefolgt war.

"Ich durfte nicht, okay? Mein Vater wollte nicht, dass mir ein Mann zu nahe kommt. Er wäre ausgerastet, wenn mich einer auch nur schief angesehen hätte, selbst wenn ich ihm nur was vorgespielt hätte. Es war für mich schon so hart genug einen Job in der Firma zu bekommen. Das aber wäre für meinen Vater gar nicht gegangen." Sie biss sich auf die Lippen, als Erinnerungen aufblitzten. Jegliche Pläne Enric an diesem Abend zu verführen, starben in diesem Moment. "Es ist schon spät, lass uns zusammenpacken."

[Anne]

Enric ging Jolene tatsächlich hinterher. Er hatte sofort ein schlechtes Gewissen, ihr die Stimmung so verdorben zu haben. "Hey Jolene", er versuchte, sie davon abzubringen zusammen zu packen und ihn stattdessen anzusehen.
"Es tut mir leid. Ich habe es ja gar nicht so gemeint. Ich wollte dir nicht vorwerfen, warum du irgendetwas gemacht hast oder eben nicht. Auch bezog ich mich nicht darauf, dass du irgendwelche Kerle verführen solltest für euer Business. Daran hatte ich nicht einmal gedacht. Es war für mich eher die Frage, warum dein Vater offenbar keinen Wert darauf gelegt hat, irgendjemandem von euch zum Kontakte knüpfen bei wichtigen Banketts, Empfängen und so weiter einzuschleusen. Das hätten genauso gut ja deine Brüder machen können. Das hat mich einfach nur gewundert. Aber du weißt, dass ich dich perfekt finde, so wie du bist, oder?"
Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah sie entschuldigend an.

[goldie]

Tatsächlich ließ sie erstmal davon ab einzupacken und hörte ihm zu. "Wie kommst du darauf, dass meine Brüder sowas nicht konnten", knurrte sie. "Ich hab's selbst verbockt, okay? Anstatt mir einen festen Platz in Team zu geben, hat Vater mich bestraft und das war eines der Dinge, die er mir gestrichen hat." Sie klang verbittert, doch dann relativierte sie. "Aber er hatte ja auch Recht, es war dumm, was ich gemacht hab."

[Anne]

"Ich habe angenommen, dass ihr sowas nicht gemacht habt, weil du nie davon erzählt hast. Es kam für mich immer so rüber als hättet ihr nichts von gesellschaftlichen Anlässen gehalten. Und Corbyn wirkt auf mich auch nicht wie jemand,der sich auf einem Ball bewegt wie ein Fisch im Wasser. Was hast du denn angestellt, dass du bestraft wurdest?", fragte Enric.

[goldie]

"Corbyn war nicht immer so drauf wie jetzt. Und Keeran lag sowas umso mehr." Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
"Setz dich." Sie bedeute Enric, seinen improvisierten Stuhl zu ihrem zu ziehen. Dann begann sie zu erzählen: "Ich hatte gehofft, dass mein Vater mich komplett ins Team übernimmt, statt mich in diese Zweckehe zu schicken, wenn ich ihm nur zeigen kann, wie gut ich wirklich bin. Da war dieser Konzernchef. Eine echt große Nummer in unserer Stadt. Mein Vater hatte immer mal wieder versucht, bei dem Daten abzugreifen. Der war uns aber immer einen Schritt voraus. Alles bestens gesichert, sowohl personell als auch technisch. Naja, seine einzige Schwachstelle waren junge Mädchen. Mein Vater hatte niemanden, der diese Schwachstelle ausnutzen konnte. Ich wollte ihm beweisen, dass ich das kann. Natürlich habe ich nicht um Erlaubnis gefragt. Ich habe mich dann wochenlang mit Connor getroffen. Irgendwann hat er mir vertraut. Ohne dass er es gemerkt hat, habe ich ihm schließlich seine biometrischen Daten und wichtige Zugangscodes geklaut. Ich dachte, mein Vater würde stolz auf mich sein. Aber er ist ausgerastet. Das Ende vom Lied war, dass ich einen Monat Stubenarrest hatte und er mir alles verboten hat, wo so was in der Art nochmal hätte passieren können." Jolene zitterte am ganzen Körper. Für ihr Kleid herrschte nicht die beste Außentemperatur und das Thema tat sein übriges. "Aber Vater hatte ja Recht, wenn Connor ein perverser Irrer gewesen wäre, hätte ich mich nicht wehren können."

[Anne]

"Oh, wow", murmelte Enric zunächst. Er wirkte sehr betroffen von dem, was Jolene ihm da gerade erzählt hatte. Beiläufig zog er die dünne Jacke aus, die er trug und hing sie Jolene über die Schultern. Er begriff auf einmal, warum alle annahmen, dass er es so gut gehabt hatte. Es war gar nicht der materielle Luxus gewesen, sondern die Sicherheit in der er aufgewachsen war. Kein einziges Mal hatte Enric sich fragen müssen, ob seine Eltern ihn an irgendjemanden verheiraten würden. Über sich und seinen Körper hatte auf altersentsprechende Weise niemals jemand anderes bestimmt als er selbst. Enric wusste, dass er etwas dazu sagen musste. Und ihm war auch klar, dass dies den Abend vermutlich endgültig ruinieren würde, wenn er nicht lügen und sich verstellen wollte.
Er hoffte nur, dass Jolene ihn nach diesem Gespräch nicht mitten im Nichts zurück ließ und allein mit dem Speeder davonbrauste, als er begann: "Zunächst einmal tut es mir leid, dass du als junges Mädchen geglaubt hast, dass du so etwas tun müsstest, um Anerkennung und Wertschätzung von deinem Vater zu bekommen. Es muss schon einiges schief gelaufen sein, wenn du dich in eine so gefährliche Situation gebracht hast, nur um deinem Vater zu gefallen. Auch wenn du im Nachhinein denkst, dass es gut gegangen ist... Aber dieser Connor war ein ekelhafter und niederträchtiger Mann, wenn er sich mit so jungen Mädchen getroffen hat. Wie alt warst du da? Vielleicht nicht einmal volljährig, oder gerade so? Es widert mich an, dass es solche Kerle gibt, die ihre Position ausnutzen und sich an irgendwelche jungen Frauen heranzumachen, die noch halbe Kinder sind. Der Zorn deines Vaters war berechtigt. Aber ich frage mich... war es wirklich Ärger aus Sorge um dich? Hat er tatsächlich so reagiert, weil er Angst hatte, dass es dir damit nicht gut gehen könnte oder dass dir etwas passiert? Das kann ich mir bei einem Mann, der seine Tochter in eine arrangierte Zwangsehe stecken möchte, ehrlich gesagt, kaum vorstellen. Er hatte selbst vor, dich quasi zu verkaufen, sodass es ihm und seinem verbrecherischem Unternehmen etwas nützt. Was du getan hast hätte, wenn es herasugekommen wäre, deinen 'Wert' mildern können. Soll ich dir sagen, was meine Theorie ist?"
Enric wartete die Antwort nicht ab. Er schien sehr wütend auf ihren Vater zu sein. "Ich denke, er war sauer, weil er Angst hatte, dass du mit solchen Taten seinem Geschäft schadest oder seinem Ruf. Wenn es geheißen hätte, dass du ein leichtes Mädchen bist, die sich mit schmierigen alten Typen trifft - wer hätte dich dann noch heiraten wollen? So machthungrige Typen wollen doch die unschuldigen, 'unbefleckten' Mädels. Wahrscheinlich hat dein Vater dich dafür bestraft. Denn dass er es nicht falsch findet, Beziehungen zu solchen Männern aufgrund von Geschäftsinteressen zu pflegen hat er ja bewiesen. Verstehe mich nicht falsch. Ich habe kein Problem damit, mit wem du geschlafen hast oder wie auch immer du dich früher ausgelebt hast - solange du das alles wolltest und es schön für dich war. Was ich verabscheue, sind Leute wie dieser Connor oder dein Vater, die glauben, dass sie dich ausnutzen, ausbeuten und über dich bestimmen können. Ich bin erleichtert darüber, dass du nicht mehr in so einem System leben musst. Und wenn du mich dafür jetzt verlassen willst, dann steht dir das zum Glück auch frei, auch wenn ich das sehr bedauern würde..."
Er blickte Jolene an und wartete ihre Reaktion ab.