Böses Erwachen?!

[goldie]

Jolene hatte lange auf diesem Moment gewartet. Endlich landete die CAV1. Sie hatte die Rampe schon fast verlassen, als Enric ihr nachrief, wo sie denn hinwolle. "Zum Doc", war die knappe Antwort und Enric ließ sie ziehen.

Es dauerte nicht lang und sie stand vor Xids Tür und hämmerte wild dagegen. "Xid, sind Sie da?" rief sie laut und bearbeitete die Tür dabei massiv weiter mit ihrer Faust.

[Anne]

Die Tür wurde geöffnet. Xid stand dort, wie üblich mit einer Tasse duftendem Tee in der Hand. Auch er schien von der Stimmung im Praxeum nicht unberührt geblieben zu sein. Die Schatten unter seinen Augen und der ernsthafte Gesichtsausdruck verrieten, dass er eine anstrengende Zeit hinter sich hatte. Als der Therapeut Jolene erblickte wirkte er überrascht.
"Oh, Jolene, seid wann sind Sie denn zurück? Ich hatte gar nichts von Ihrer Ankunft mitbekommen. Na wie dem auch sei. Kommen Sie herein. Bitte."
Er trat zur Seite, sodass Jolene das Haus betreten konnte. Als sie hereingekommen war, bot er ihr ebenfalls eine Tasse Tee an und setzte sich.

[goldie]

Jolene war ins Zimmer marschiert und tigerte dirt nun auf und ab, ignorierte sein Angebot von Tee. Schließlich baute sie sich vor ihm auf, packte ihn am Schlawittchen und schrie ihn an: "Verdammt nochmal, wie können Sie so ruhig bleiben? Sie müssen mir helfen!" Er konnte sehen, dass sie Tränen in den Augen hatte.

[Anne]

Xid erhob sich. Er blieb weiterhin relativ gelassen als er erwiderte: "In Ordnung. Ich werde Ihnen helfen. Sagen Sie mir dazu bitte, was Sie gerade so aufwühlt."

[goldie]

Jolene atmete einmal tief durch und ließ wieder los. "Ich bin in einem verdammten Alptraum gefangen, der geht jetzt schon über viele Tage. Das liegt daran, dass ich beim Kampf gegen die Tentakelviecher so schwer verwundet wurde, dass ich im Koma liege. Und ich kann einfach nicht aufwachen." Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. "Ich weiß nicht, vielleicht liegt es daran, dass Enric tot sein könnte. Ich habe versucht ihn mit meinem Machtschild zu schützen, aber da ich mich nicht erinnern kann, was dann passiert ist, war ich wohl nicht erfolgreich und das heißt dann... Das heißt..." Sie fing an unkontrolliert zu schluchzen, fiel auf die Knie und vergrub ihr Gesicht in die Hände.

[Anne]

Xid setzte sich zu ihr auf den Boden. Er wartete geduldig, bis Jolene sich etwas beruhigt hatte. In dieser Zeit sprach er nicht und er berührte sie auch nicht. Als er den Eindruck hatte, dass Jolene wieder antworten könnte sagte er: "Ich möchte sichergehen, dass ich Sie richtig verstanden habe. Sie glauben, dass Sie in einem Kampf so schwer verwundet worden sind, dass Sie sich im Koma befinden. Ihr Partner verstarb dabei möglicherweise. Und nun befinden Sie sich in einem Traum, der bereits über mehrere Tage anhält. Das bedeutet, nichts ist gerade real für Sie? Dementsprechend bin auch ich eine Gestalt aus Ihren Träumen?"
Jolene konnte keine Wertung aus seiner Stimme heraushören. Interessiert blickte Xid sie an.

[goldie]

Sie nickte schwach. "Ich... Ich weiß nicht... In der Realität haben Sie mir so sehr weitergeholfen. Vielleicht hoffe ich einfach, dass Sie das auch hier können." Sie seufzte schwer.

[Anne]

"Vielen Dank. Vielleicht glauben Sie ja auch einfach, dass Sie sich selbst auf diese Weise helfen können. Bevor wir darüber sprechen, was dieser mögliche Traum beziehungsweise die Realität für Sie bedeuten, möchte ich Sie bitten, mir von Ihrer Mission zu erzählen. Sie waren einige Wochen weg. Ich wüsste sehr gerne, was sich in dieser Zeit ereignet hat und wie es Ihnen ging. Bitte sagen Sie es mir, wenn Sie an dem Punkt angelangt sind, von dem Sie annehmen dass aus der Realität ein Traum wird. Erzählen Sie dann aber einfach weiter bis Sie in dieser Situation ankommen. Ich werde Ihnen zuhören. Nur einen Moment bitte."
Xid erhob sich kurz, holte zwei Kissen und setzte sich auf eines Jolene gegenüber. Das andere bot er ihr an. "So ist es doch etwas bequemer."

[goldie]

Auch Jolene setzte sich auf ein Kissen. Dann begann sie zu sprechen.
"Wir hatten Hinweise auf das Xar-Kling-Shar, denen wir gefolgt sind. Wir wussten, dass das Imperium vor Jahren auf einem Planeten gebohrt hat, der damit in Zusammenhang stand, also haben wir da auch gebohrt."
Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
"Je tiefer wir gekommen sind, desto gefährlicher wurde es. Nicht nur für uns, auch für die Bevölkerung. Es gab Kämpfe gegen Droiden. Sie haben das Dorf zerstört, wo wir waren, dich die Leute könnten wir alle rechtzeitig evakuieren. Als wir dann das letzte Mal runter sind, hat es mich erwischt. Wir waren in einer Schaltzentrale, die von riesigen Tentakeldroiden angegriffen wurde. Die Tentakel schlugen durch die Decke, Owen und Syron haben dagegen gekämpft. Enric und ich haben versucht ins System zu kommen. Dann wollte ich einen Schild für Enric aufbauen, weil auch er angegriffen wurde. Da hat es mich erwischt."
Jolene atmete durch.
"Dann fing der Traum an. Da war ich mit Koi auf der Brücke des Xar-Kling-Shars. Ich habe versucht mit Enrics Lichtschwert den Kristall zu zerstören, damit das externe Bewusstsein nicht hochlädt. Doch wir waren zu spät. Und es schützte den Kristall mit einem Machtschild. Verhöhnte mich, weil ich ihm gerade gezeigt hatte, wie der geht. Wir müssten da raus. Koi hatte einen Müllschacht gefunden und gesagt, ich solle da zuerst raus. Aber anstatt hinterher zu kommen, hat er irgendwie geschafft, die Kontrolle über das Schiff zu erlangen. Wir anderen sind dann raus da. Und Koi, dieser Wahnsinnige, hat dann einen Hyperraumsprung vom Kern des Planeten in die nächste Sonne gemacht." Jolene atmete durch. "Es war meine Schuld. Hätte ich dem Bewusstsein nicht meinen Schild gezeigt, wären wir beide unbeschadet rausgekommen. R8 hat uns noch eine Abschiedsnachricht von Koi abgespielt, als er sich an mich gewendet hat, bin ich dann aufgewacht." Jolene schluckte. "Dachte ich zumindest für einige Minuten. Aber nichts passte zusammen. Wir waren auf einem Sternenzerstörer. Enric und ich. Er hat die ganze Zeit behauptet, dass Koi tot sei. Aber ich habe genau gespürt, dass ich immernoch träume. Wieder einer meiner typischen Alpträume. Syron hat mich dann später verarztet, aber es blieb alles so surreal. Ich habe einiges versucht, um wieder aufzuwachen: hab mich gekniffen, mich bewusstlos schlagen lassen, hab drüber nachgedacht, mich mit einer Granate in die Luft zu jagen. War mir dann aber zu heikel, weil man ja auch in echt sterben kann, wenn man im Traum stirbt." Sie seufzte unzufrieden.
"Natürlich war der Alptraum längst nicht zuende. Wir haben ein Notsignal reinbekommen und ein paar Soldaten gerettet. Natürlich müsste derjenige, der am schwersten verletzt und kurz vorm draufgehen war, ausgerechnet Akaavi sein. Aber da war mir eh schon alles egal. Es hat ewig gedauert, bis wir endlich hier gelandet sind. Und dann bin ich direkt hier her. Sie sind meine letzte Hoffnung."
Sie schaute ihn flehend an, als könne er einfach mit den Fingern schnippen und sie so aus dem Traum herauswerfen.

[Anne]

Xid hatte ihr ruhig zugehört. An der Stelle, als Jolene Kois Tod erwähnt hatte, war Xid zunächst überrascht, dann betroffen gewesen. Schließlich hatte auch er Koi sehr gut gekannt. Er hatte ihn seit vielen Monaten regelmäßig aufgesucht. Anscheinend ließ der plötzliche Tod einer seiner Patienten ihn alles andere als kalt, aber er blieb ruhig. Als sie geendet hatte nickte er bedächtig und antwortete in seiner gewohnt professionellen Art:
"Seit Sie annehmen zu träumen sind viele schlimme Dinge in Ihrem Leben passiert. Ich kann verstehen, dass Sie nicht akzeptieren wollen oder im Moment können, dass diese Dinge wirklich passiert sind. Immerhin haben Sie eine Person verloren, die Ihnen sehr nahe stand. Und offenbar denken Sie, es sei Ihre Schuld gewesen. Haben Sie jemandem von dieser Befürchtung erzählt, dass es an Ihnen gelegen haben könnte, dass Koi offenbar gestorben ist?"

[goldie]

"Seit ich annehme zu träumen? Sie glauben mir also auch nicht! Erst so tun als ob und dann sind Sie genauso drauf, wie alle anderen auch. Sie sind echt eine Enttäuschung!" Jolene stand auf, offenbar wollte sie gehen. "Und zu Ihrer Information, die schlimmen Dinge passieren nicht erst, seit ich träume. Ich wäre vorher zweimal fast draufgegangen und zu sehen, wie das Dorf, das wir gerade neu aufgebaut hatten, zerstört wurde, war auch kein Zuckerschlecken. Aber was rede ich. Sie sind halt nicht der echte Doc." Sie schien keine Antwort zu erwarten, sondern wendete sich Richtung Tür.

[Anne]

Ah, wahrscheinlich hatte er sie zu früh mit der Schuldfrage konfrontiert, überlegte Xid. Es langsamer angehen zu lassen erschien sinnvoll.
"Bitte warten Sie noch einen Moment. Was haben Sie denn jetzt vor, solange Sie sich in diesem Traum befinden?"

[goldie]

"Jetzt, wo meine letzte Chance auch noch geplatzt ist?" fragte sie verbittert. "Keine Ahnung." Sie strich mit der Hand über eine der Granaten. "Vielleicht lass ich es ja doch darauf ankommen..." sagte sie leise, wie zu sich selbst.

[Anne]

"Ich verstehe das nicht ganz. Warum ist es Ihnen so eilig damit, in die andere Realität zurück zu kehren? Wenn ich das richtig verstanden habe, nehmen Sie an, dass Enric dort tot ist und Sie selbst schwerst verwundet. Ja, diese Realität hier ist ein Albtraum für Sie. Aber wäre die andere Realität tatsächlich leichter für Sie zu ertragen?", erkundigte Xid sich.

[goldie]

Jolene drehte sich noch einmal um und lehnte sich an die Tür, an der sie gerade angekommen war. Das war eine verdammt gute Frage, die Xid gerade gestellt hatte. Eine, die sich sich selbst nicht das erste Mal stellte.

"Was hat es denn für einen Sinn, hier zu sein? Nichts ist echt. Der Enric hier ein Schatten meines richtigen Enrics. Ich habe ja versucht, es mir hier halbwegs gutgehen zu lassen. Aber das funktioniert ja doch bloß nicht. Mit Enric schlafen... Er blockt ab. Mit Owen einen Trinken gehen... Fehlanzeige. Selbst so was simples wie kochen, selbst das gelingt nicht. Koi, der draufgeht. Akaavi, den es fast verbrannt hat und der jetzt noch eine Prothese mehr braucht, Brene tot, Darwal tot... Ja, im wahren Leben sind auch diejenigen tot, die ich geliebt habe", spielte sie auf ihre Familie an. Allerdings hatte sie dieses Thema in den bisherigen Therapiesitzungen immer abgeblockt. "Und auch da bin ich schuld dran. Na und, das ist Vergangenheit und nicht mehr zu ändern. Und trotz allem gibt es die Chance, dass mein Enric noch lebt. Immerhin träume ich noch, das heißt jemand hat mir zumindest das Leben gerettet. Wenn das Owen war, dann lebt Enric vielleicht auch noch." Jolene ließ sich an der Tür herunter zu Boden rutschen, wo sie die Beine umschlang und vor sich hinstarrte. Sie wusste einfach nicht, was sie tun sollte.