Treffen mit Ysanne

[Anne]

Enric war seit seiner Ankunft zurück auf Gateway eine Weile ziellos durch die Natur gestreift. Er hatte sich nicht dazu bereit gefühlt, Xid oder Ysanne oder sonst irgendjemandem zu begegnen, der Koi nahe gestanden hatte. Auch wollte er so lange wie möglich herauszögern zu erfahren, wer es vielleicht von seinen Bekannten hier nicht geschafft hatte. Was, wenn Ysanne auch nicht mehr lebte? Aber irgendwann konnte er es nicht mehr herauszögern. Er musste zurück.
Die Stimmung im Praxeum ergriff ihn sofort. Immerhin gab es hier noch Leute, die ihre Verluste betrauerten und nicht alles gleichmütig aufnahmen. Wahrscheinlich würde aus denen ebenso wenig etwas werden wie aus ihm, dachte Enric. Er las die Namen der Verstorbenen. Zu niemandem von ihnen hatte er eine enge Freundschaft gepflegt aber es ging ihm trotzdem nahe. Besonders dass Testa und Partur gefallen waren setzte ihm zu.
Er ließ sich jedoch möglichst nichts anmerken, ging zur KAF und holte R8 ab, bevor er sich auf den Weg zu Ysanne machte.
Er klopfte zögerlich und fand die Jediritterin schließlich meditierend vor.
"Ysanne... Entschuldige, ich wollte nicht stören. Ich komme besser ein anderes Mal wieder", sagte er und wollte schon den Rückzug antreten.

[goldie]

"Setz dich", sagte Ysanne ruhig, ohne die Augen zu öffnen.

[Anne]

Er nahm Platz. Enric atmete tief durch, dann sagte er: "Mein herzliches Beileid, Ysanne. Es tut mir leid dass du so viele Personen verloren hast, die dir nahe standen. Haben die anderen dir erzählt..." Er stockte. "... also... Wir haben Koi verloren. Es tut mir leid."

[goldie]

Ysanne nahm noch einmal einen tiefen Atemzug. Sie öffnete die Augen. Enric konnte sehen, wie erschöpft sie wirkte. Sie hatte tiefe Ringe unter den Augen und sah 20 Jahre älter aus. Sie betrachtete ihn einen Moment, um zu ergründen, in welchem Zustand er wohl gerade war.
"Danke Enric. Dann hast du die Gedenktafel schon gesehen. Ja, Owen und Syron waren bereits hier und haben mir einen kurzen Abriss gegeben, was auf eurer Mission passiert ist. Es tut mir leid, was mit Koi passiert ist. Ich weiß, ihr standet euch sehr nahe. Wie geht es dir?" Ysanne sprach ruhig und gefasst.

[Anne]

Vor Ysanne saß jemand, der mit versteinerter Miene versuchte, sie nicht mit seinem Schmerz zu belasten. Sein Blick war ernst doch nicht so mitfühlend, wie man es vielleicht von ihm erwartet hätte. Enric sah ebenfalls erschöpft aus. Mittlerweile waren zwar alle körperlichen Wunden verheilt, aber man sah ihm dennoch an, dass er keine einfache Zeit hinter sich hatte. Sicher entging Ysannes geübtem Blick auch das Lichtschwert an Enrics Gürtel nicht, auch wenn das in diesem Moment sicherlich zweitrangig war.
"Wie es mir geht? Sicherlich haben die letzten Wochen ihre Spuren in mir hinterlassen aber das ist wohl nichts im Vergleich zu dem, was du durchgemacht hast. Ich bin hier, weil ich dir etwas zeigen muss."
Enric wandte sich an R8 und forderte ihn dazu auf, etwas abzuspielen. Eine Holo Version von Koi erschien im Zimmer, die zu Ysanne sprach. Kois letzte Nachricht an sie. Er sagte, dass sie ihm eine ganz neue Welt gezeigt habe. Esoterik, oder Spiritualität, jedenfalls irgendwas Mystisches. Er habe das anstrengend und etwas nervig gefunden, aber auch irgendwie bereichernd. Dann erinnerte der Duros sich an ihre gemeinsame Reisezeit. Er habe damals nie das Gefühl gehabt, dass Ysanne bei ihrer Bestimmung sei - dass dieses Umherziehen nicht das Wahre für sie gewesen wäre. Aber jetzt, hier im Praxeum als Lehrerin... Hier würde Koi spüren, dass sie angekommen sei. Dies sei ihr Weg.
Und dann verlosch die Erscheinung. Koi war wieder verschwunden und ließ Enric und Ysanne allein zurück.

[goldie]

"Der gute Koi", seufzte Ysanne. "Nie um einen Spruch verlegen. Es war nicht immer einfach mit ihm, aber er hatte ein Herz aus Gold. Danke, dass du mir seine Nachricht abgespielt hast." Sie schaute auf R8 herab. "Koi war von Anfang an mit im Praxeum. Wir haben wirklich viel zusammen erlebt."

[Anne]

"Ja, ihr kanntet euch wohl sehr lange..." Er wirkte blass als er leise fortfuhr: "Bitte vergib mir. Ich habe es nicht verhindern können. Ich wusste nicht, was er vorhatte. Es war bereits zu spät... Er hat sich geopfert. Für uns. Für die Galaxis. Ich konnte nichts tun. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht aber... Ich weiß nicht wie ich ihn hätte retten können. Es tut mir so leid."
Enric vermochte es nicht, Ysanne dabei anzusehen. Er starrte auf den Boden.

[goldie]

"Fühlst du dich in der Lage, mir zu erzählen, was genau mit Koi passiert ist? Die anderen haben mir wie gesagt nur einen kurzen Abriss gegeben."
Ysanne wollte sich einerseits selbst ein Bild machen und anderseits Enric die Gelegenheit geben, im Gespräch seinem Freund zu gedenken. Sie hatte zwar selbst ihre Bürde zu tragen nach all dem Ereignissen. Doch sie war immer noch die Leiterin des Praxeums und ihr war wichtig gerade jetzt für ihre Leute dazusein.

[Anne]

Er nickte. Ihm war nicht entgangen, dass sie seiner Bitte nach Vergebung nicht nachgekommen war. Wahrscheinlich wollte sie ihm nicht verzeihen, oder zumindest fasste er es so auf.
Enric riss sich zusammen, überaus bemüht darum sich nichts anmerken zu lassen, als er einen sachlichen und ausführlichen Bericht der Ereignisse rund um Kois Tod abgab.

[goldie]

"Danke, Enric." Sie lächelte mitfühlend. "Du hast mich vorhin um Vergebung gebeten. Doch wie soll ich dir vergeben für etwas, an dem du keine Schuld trägst? Ihr alle habt geschworen, das Xar-Kling-Shar zu vernichten. Es war Kois alleiniger Entschluss, sich dafür zu opfern. Er trägt die Verantwortung für das, was er getan hat. Nicht du, auch wenn du der Missionsleiter warst. Oder hast du ihm befohlen, in die Sonne zu springen? Wie du sagst, du hattest keine Möglichkeit es zu verhindern. Wenn du versuchst ihm die Verantwortung streitig zu machen, dann schmälerst du letztlich das Opfer, das er gebracht hat, um gleich zwei Xar-Kling-Shars zu zerstören."

[Anne]

Nun konnte er es doch nicht mehr verhindern, dass ihm Tränen in die Augen traten. "Danke", sagte er leise. "Ich verstehe." Und in der Tat hatten ihre Worte ihm Erleichterung verschafft.
"Wie geht es dir, wenn ich das fragen darf? Wie steht es im Krieg?"

[goldie]

"Auch an mir gehen die Ereignisse nicht spurlos vorüber. Wir haben sehr viele Verluste erlitten, nicht nur hier im Praxeum." Ysanne atmete einmal durch.

"Doch die Schlacht selbst war ein voller Erfolg. Die Techsig haben nicht mit einem Gegenschlag gerechnet. Wir haben dort draußen einen großen Sieg errungen. Jetzt müssen wir nachsetzen, die Schwächung des Feindes nutzen, strategisch wichtige Punkte zurückerobern." Sie verfiel in eine militärische Sprechweise, auch wenn es bereits viele Jahre her war, dass sie als Soldatin gedient hatte. Doch dann wurde ihre Stimme sanft. "All das wäre ohne Jolene nicht möglich gewesen. Möglicherweise ist das endlich die Wendung des Kriegs zu unseren Gunsten. Jolene war nicht mit bei den anderen dabei und jetzt auch nicht bei dir. Wie geht es ihr?"

[Anne]

Enric seufzte. "Seit Kois Tod glaubt sie, in einem Albtraum zu leben ohne Erwachen zu können. Sie hält nichts mehr für real. Was auch immer um sie herum geschieht, sie behauptet einfach, dass es nicht echt sei. Ich verstehe ja, dass sie sich auf diese Weise schützen will. Aber wenn es darin mündet, dass sie mit Granaten herumspielt, sich bewusstlos schlagen lässt weil sie glaubt dass ihr das irgendwas hilft und versucht wieder mit dem Trinken anzufangen wird es einfach gefährlich. Ich muss auch bald wieder los um nach ihr zu sehen. Ich muss sie vor sich selbst beschützen. Ich möchte bloß noch wissen... Was weißt du über die Pläne der Republik bezüglich der Zurückeroberung des Kerns? Ich... ich habe mich entschlossen nach Recopia zurück zu kehren, sobald es möglich ist. Jeder hier weiß, dass ich nicht gerade zum Jedi geboren bin. Ich mache alles immer nur schlimmer. Hier..."
Er löste sein Lichtschwert vom Gürtel und hielt es Ysanne entgegen. "Das werde ich dir überlassen, sobald es soweit ist. Finde jemanden, der würdig ist, es zu tragen."

[goldie]

Ysanne schob das Lichtschwert sanft in seine Richtung zurück. "Es ist gut und richtig, dass du gleich nach deiner Freundin schauen möchtest. Doch ich kann das nicht so stehenlassen dass du alles schlimmer machst, geschweige denn, dass du dich nicht eignen würdest, ein Jedi zu werden. Ihr alle habt sehr viel durchgemacht, seid gerade erst gelandet. Ich verstehe, dass du deine Familie vermisst, wissen willst, ob deine Eltern noch leben. Doch bevor du eine endgültige Entscheidung triffst, reden wir noch einmal ganz in Ruhe. In Ordnung?"
Bewusst enthielt sie ihm die Information vor, wie es um die Kernwelten stand. Er sollte seine Entscheidung unabhängig davon treffen.

[Anne]

"Ich weiß deine Freundlichkeit wirklich sehr zu schätzen. Aber Owen hat es selbst gesagt, dass ich alles nur schlimmer mache. Und hat er nicht Recht? Die Systeme auf dem Planeten wurden nur dadurch aktiviert, weil wir dort angekommen sind. Vorher war alles im Stand by Modus sozusagen. Ich habe diese Mission ins Leben gerufen. Ich habe indirekt bewirkt dass Koi sich opfern musste, dass zwei weitere Personen gestorben sind und dass hunderte Leute ihre Heimat verloren haben. Und als ob das nicht genug wäre, habe ich bei der Evakuierung nicht einmal darauf geachtet, dass auch wirklich alle Dörfer von dort weggebracht werden. Wenn die Bohrcrew das Imperium nicht daran erinnert hätte, wären jetzt 251 Leute tot - wegen meiner Unachtsamkeit. Es ist vergleichbar mit dem Trandoshaner, den ich getötet habe. Ich habe immer die besten Absichten. Aber am Ende entgleitet es mir doch. Das beste was ich tun kann ist, mich von so viel Verantwortung zurück zu ziehen und das Kor denen zu überlassen, die bereit dafür sind. Ich bin auch der Einzige in unserem Team, der Probleme hat mit Kois Tod zurecht zu kommen. Nun gut, abgesehen vielleicht von Jolene, die jetzt leider verrückt geworden ist. Syron hat in den letzten Tagen nur gearbeitet. Er hat nicht einmal den Anschein erweckt, als würde ihn irgendwas belasten. Er funktioniert einfach, wie eine gut konstruierte Maschine. Und Owen... Ich weiß nicht ob er es verdrängt oder ob er wirklich seinen inneren Frieden mit all dem gemacht hat. Es scheint ihm einfach alles vollkommen egal geworden zu sein. Er hat mich so wütend gemacht. Ich habe mich mit ihm geschlagen. Aber natürlich hat das nichts besser gemacht. Er sagte wie auf jeder Mission, dass meine Gefühle mich zur dunklen Seite führen werden. Dass ich schwach bin. Zerfressen von Selbstmitleid. Und es stimmt ja auch. Ich jammere hier gerade schon wieder einer Frau die Ohren voll, die wirklich andere Sorgen hat im Moment. Und das alles tut mir so leid. Ich möchte euch wirklich nicht weiter zur Last fallen. Ich ertrage es nicht, mein Leben lang so unzulänglich zu sein. Da gehe ich lieber nach Hause und tue etwas, das ich kann. Ich werde mich wieder auf die Archäologie beschränken. Denn davon verstehe ich wenigstens etwas. Also sag es mir, Ysanne... Wann kann ich wieder nach Hause zurück?"
Mit einem beinahe flehenden Gesichtsausdruck schaute er Ysanne an. Das alles war einfach so aus ihm herausgebrochen. Es würde ihm später bestimmt genauso unangenehm sein wie jene Nacht, als sie ihm helfen musste weil er betrunken einen Nervenzusammenbruch gehabt hatte. Sie musste auch froh sein, wenn sie sich nicht mehr um ihn kümmern brauchte.