Abendspaziergang

[Anne]

"Du meinst, du willst einfach ein paar vermutlich schwer traumatisierte Kinder und Jugendliche in ein Haus stecken, sie sich selbst überlassen und ab und zu Mal vorbeigehen und schauen ob noch alle leben...?", fragte Enric ebenso überrascht wie schockiert.

[goldie]

Jolene zögerte. "Also sie wären natürlich nicht auf sich allein gestellt. Es gibt Köche, Haushälterinnen, Reinigungsdroiden, medizinische Versorgung und meinetwegen auch einen Therapeuten, für die, die wollen. Hmm. Vielleicht würde Bildung auch nicht verkehrt sein. Wir könnten Ihnen einen Privatlehrer organisieren oder einen entsprechenden Droiden. Wir geben ihnen alles, damit sie bestens versorgt sind."

[Anne]

"Das sind sicherlich alles wichtige Punkte, die unverzichtbar sein werden. Wobei ich finde, dass die Kinder ein Stück weit auch in die Hausarbeit mit einbezogen werden sollten und auch helfen können, Nahrung zuzubereiten. Allerdings brauchen Kinder und Jugendliche doch auch Erziehung, Anleitung, jemanden der ihnen Trost und Geborgenheit spendet, sich für die Schwächeren einsetzt... Wir werden Erzieher und Erzieherinnen benötigen, die sich Tag und Nacht um die Kinder kümmern."

[goldie]

"Genau das hat doch Ria gemacht", erklärte Jolene. "Ich habe es dich zwei Monate selbst miterlebt. Genau das was du beschreibst. Und das hat sie wirklich toll gemacht. Und sie ist in dieser Aufgabe aufgegangen, weil sie wusste, dass es wirklich wichtig ist, was sie tut. Wenn du so willst, sind die älteren ja quasi Erzieherinnen und Erzieher."

[Anne]

Enric schüttelte den Kopf. "Ria ist sehr besonders für ihr Alter. Sie ist ein Ausnahmetalent was Führung angeht und es war ein Glück, dass sie den halben Slum hinter sich hatte. Nicht alle Jugendlichen sind bereit so eine Rolle einzunehmen und die wenigsten könnten es. Ich denke auch, dass sie es nicht sollten. Damit bürden wir ihnen in viel zu jungen Jahren viel zu viel Verantwortung auf. Ria tat das, weil sie es musste - weil es sonst niemand getan hätte. Aber das kann doch nicht unsere Idealvorstellung sein. Wenn diese Jugendlichen sich rund um die Uhr um kleine Kinder kümmern müssen, wie sollen sie da selbst ihre Jugend ausleben? Was hast du denn gemacht zwischen fünfzehn und achtzehn? Also ich hätte mich bedankt, wenn mir jemand so etwas aufgezwungen hätte. In dem Alter müssen sie sich ablösen, vielleicht auch Mal Regeln brechen, Grenzen austesten, herausfinden wer sie sind und wohin sie wollen. Wie sollen sie das, wenn sie permanent einer so schweren Aufgabe verpflichtet sind? Ich könnte mir nicht einmal vorstellen, so vielen bedürftigen kleinen Personen rund um die Uhr gerecht zu werden und ich bin erwachsen. Wie sollen es da ein paar Heranwachsende können, die selbst noch halbe Kinder sind? Zumal sie alle gerade vermutlich mit sich beschäftigt sind, weil sie ihre Eltern verloren haben..."
Es war Enric deutlich anzumerken, dass er von Jolenes Plänen gar nichts hielt.

[goldie]

Jolene dachte an ihre eigene Jugend. Wäre sie in ein Heim gesteckt worden, wäre sie noch in der gleichen Nacht abgehauen. Auf andere Kinder aufpassen? Vielleicht hätte sie ihnen einfach auch die Flucht ermöglicht, aber beim Huttenkartell, sich dich niemals um sie gekümmert.
"Weißt du was? Ich frage einfach Ria. Sie ist ja hier die Expertin und nicht wir", räumte Jolene ein.
Nach Enrics doch sehr schlüssiger Argumentation war sie tatsächlich etwas verunsichert.

[Anne]

"Mach das. Das ist eine gute Idee", sagte Enric. Er war es gar nicht gewohnt, dass seine Freundin so schnell einlenkte.
Sie unterhielten sich auf dem Weg zur Cantina noch über dies und das, über den Unterricht, das Training, die Meditation, jedenfalls nichts worüber es sich gelohnt hätte Streit anzufangen.
Schließlich standen sie vor der Cantina des Praxeums. "Bist du soweit?", fragte ihr Freund. Dann traten sie ein.
Sie ließen den Blick über die Gäste schweifen. Es war tatsächlich recht gut besucht. Wie es der Zufall wollte entdeckten sie Ria an einem der Tische. Sie winkte ihnen zu. Mit an ihr am Tisch saß ein schmaler, sommersprossiger Junge, der ebenfalls ein Jedi Schüler war.
"So, war ja ganz nett mit dir aber jetzt sieh Mal zu, dass du abhaust. Da hinten kommt 'ne Freundin von mir mit ihrer anderen Hälfte. Ich will Mal mit denen quatschen."
Als der Junge keine Anstalten machte zu gehen, kippte Ria mit dem Fuß seinen Stuhl an. "Na wird's bald Mal was!?"
Der Junge kippte fast vom Stuhl, dann räumte er das Feld, um für Jolene und Enric Platz zu machen.

[goldie]

Jolene atmete einmal tief durch, als sie die Cantina betraten. Hier im Praxeum ging es natürlich gesittet zu, im Gegensatz zu manch anderen Cantinas, die sie besucht hatte. Die junge Frau war angespannt, war es doch seit ihrem Entzug das erste Mal, dass sie sich bewusst wieder in solche Umgebung begab. Ria zu sehen freute sie und lenkte sie gleichzeitig ab.

Jolene grinste Ria an, als sie sah, wie sie mit dem Jungen umsprang. "Na, bahnt sich da was an?" fragte sie zur Begrüßung. Dabei schielte sie unauffällig auf Rias Getränk, um zu sehen, ob es etwas alkoholisches war.

[Anne]

"Das hätte der gern", antwortete Ria. Sie trank tatsächlich nur eine Limonade. Als sich Jolene und Enric gesetzt hatten, wandte das Mädchen sich zur Bedienung um. "Mach Mal zwei Ale - ach nee, ehm - das gleiche was ich hab!"
Dann wandte sie sich ihren Besuchern zu. "Na wie geht's?"

[goldie]

"Ganz gut", antwortete Jolene. "Wie schaut's bei dir aus?"

[Anne]

"Mir muss es ja gut gehen. Ich hab ja hier alles", entgegnete sie und trank von ihrer Brause. Auch die beiden Getränke für Enric und Jolene wurden auf den Tisch gestellt.

[goldie]

Jolene wartete ab, bis Enric trank. Nicht, dass sich doch noch Alkohol mit in das Getränk geschummelt hatte.
"Sag mal, Ria, wo wir sich hier gerade treffen. Ich hab mal ne Frage für dich als Expertin. Du hast dich doch so lange um die Kids im Slum gekümmert und ich kenne keinen, der das hätte besser machen können als du. Wir wollen hier in der Nähe des Praxeums ein Kinderheim bauen, also Enric und ich. Und wir fragen uns, was besser ist. Irgendwelche komische Erzieherinnen und Erzieher, die ja gar keine Ahnung haben, wie Kinder wirklich ticken, oder jemand wie du, der wirklich auch praktische Erfahrung hat und noch nicht so alt. Dass du dich mit um die neuen Kinder kümmerst, ist wohl nicht so die Option, hm? Willst ja schließlich immer noch Jedi werden."

[Anne]

Ria zog eine Augenbrauen hoch. "Ihr wollt einen Haufen fremder Kids aufnehmen? Wozu? Seit ihr zu faul zum selber vögeln?"
Enric verschluckte sich etwas an seinem Getränk. "Ria!" Beschämt schaute er sich um, ob es jemand gehört hatte. Ria grinste bloß.

[goldie]

Jolene musste ebenfalls grinsen. Nicht weil das Thema witzig gewesen wäre, überhaupt nicht. Es war Rias ungehobelte Art und auch Enrics Reaktion darauf, die sie amüsierte.

"Schon vergessen, wir haben geschworen das Xar-Kling-Shar zu bekämpfen. Da ist kein Platz für Kinder." Durch die Therapie war sie so weit aufgebaut, dass dieses Thema sie nicht sofort wieder aufwühlte. "Als ob wir jemals zu faul zum Vögeln wären, nicht wahr Liebling", grinste sie nun Enric an.

[Anne]

Ihr Freund sah aus, als erwog er gerade für wie viele Personen im Raum er sich würde unsichtbar machen können. Er rang sich ein etwas gequältes Lächeln ab.
"Ih, man, ihr seid alt!", fand Ria. "Na egal, zu deiner Frage: Tut mir leid, dafür steh ich nicht zur Verfügung. Ich habe nicht alle meine Kids in einem Drecksloch zurückgelassen, um mir jetzt neue zuzulegen. Ich bin nicht wirklich das geborene Kindermädchen. Ich will was Größeres machen. Die Galaxis retten, so wie ihr. Ich habe mich lange genug für alle anderen aufgeopfert. Jetzt ist es Zeit mein Ding durchzuziehen! Ich weiß, dass ich das Zeug dazu hab! Sag Mal, kann ich eigentlich bei euch mitmachen? Jetzt wo Koi nicht mehr ist, könnte ich doch mit einsteigen..."