Jolene träumt...

[goldie]

Jolene fiel ihrem Bruder um den Hals. "Danke", schluchzte sie. Als sie sich endlich wieder beruhigt hatte, schüttelte sie den Kopf. "Dieser Akzent ist einfach nur schrecklich. Aber wenn mein Bruder bei meiner Ärztin einen Stein im Brett hat, kann mir das nur nützen. Hauptsache, du lässt Ria in Ruhe. Und sorge dafür, dass sie nie in der Firma angestellt wird. Apropos angestellt. Du bist dir sicher, dass Horain nicht auf Vaters Gehaltsliste steht?"
Die Kühle der Nacht beruhigte die junge Frau. Doch noch viel mehr, dass sie auf ihren Bruder zählen konnte.

[Anne]

"Ria? Moment Mal, was hast du auf einmal gegen sie? Ich dachte, ihr zwei wärt Freundinnen? Und wieso soll sie nicht für uns arbeiten? Sie scheint doch ein cleveres Mädel zu sein. Oder wärst du dann eifersüchtig, wenn sie ins Geschäft einsteigt und für du was anderes vorgesehen bist? Und wie kommst du drauf, dass wir etwas mit der Ärztin zu tun hatten?" Corbyn sah aus, als erwartete er regelrecht irgendeine seltsame, eher irre Antwort die nichts mit der Realität zu tun hatte. Er zog seine Jacke aus und legte sie seiner Schwester um die schmalen Schultern.

[goldie]

"Eben weil wir Freundinnen sind. Ich mache mir keine Illusionen, der Frachter ist für mich abgeflogen. Und ich habe mich dagegen entschieden, wieder kriminell zu werden. Wie du vorhin sagtest, die Klinik ist für mich die Chance auf ein neues Leben. Aber sorge dafür, dass Ria nicht auch auf die schiefe Bahn gerät. Sie kommt doch gerade erst auf die Beine. Und ist es so abwegig anzunehmen, dass Vater Spione in der Klinik hat? Du hast vorhin selbst geprüft, ob die Wanze noch da ist. Wo sind sie noch versteckt? Im Therapieraum, bei Horain im Behandlungszimmer? Wer sind seine Leute?" Herausfordernd schaute sie Corbyn an. Vom großen Respekt ihrem Vater gegenüber war nicht mehr viel übrig geblieben.

[Anne]

"Also erst sagst du mir, ich soll Ria in Ruhe lassen und dann bittest du mich darum, dafür zu sorgen, dass sie nicht auf die schiefe Bahn gerät? Du hast vielleicht Vorstellungen... Wie soll das denn gehen?" Er schüttelte leicht den Kopf. "Die Wanzen sind nur in deinem Zimmer versteckt. Für den Rest gibt's Spione. Dr. Horain und Xid sind sauber. Denen kannst du vertrauen. Die gehören auf jeden Fall nicht zu Vater..."

[goldie]

"Okay, das hilft schon mal weiter. Sie wollen mir also wirklich helfen, das ist gut. Wegen Ria: du sorgst bereits dafür, dass sie nicht auf die schiefe Bahn gerät, indem du ihr einen Job verweigerst."

[Anne]

"Okay, wenn's dir so wichtig ist." Corbyn zuckte mit den Schultern.
"Wollen wir langsam Mal wieder zurück gehen? Wir sind schon eine Weile hier draußen. Nicht, dass du noch krank wirst oder die vom Krankenhaus denken, du wärst mir davongelaufen oder so..."

[goldie]

"Ja, das ist mir wichtig. Ich will nicht, dass sie in Vaters Fänge gerät. Gut, gehen wir." Sie stand auf. Merkte, dass sie etwas wackelig auf den Beinen war und ließ sich stützen. "Wann bist du das nächste Mal hier? Wann Keeran?"

[Anne]

"Keeran kommt Ende der Woche. Ich bin erst nächste Woche wieder da", antwortete Corbyn. Er brachte seine Schwester hinein und führte sie zu ihrem Zimmer. Als sie eintraten war Ria noch wach. Sie hatte sich das Datapad, was Ysanne mitgebracht hatte, mit in ihr Bett genommen. Daraus tönte Akaavis Stimme: "Es gibt keine Gefühle. Frieden gibt es."
Doch Ria stellte es sofort aus, als Jolene und ihr Bruder herein kamen.
"Zieh dir nicht auch noch diesen Quatsch rein", kommentierte Corbyn an die junge Frau gewandt.

[goldie]

Akaavi Pax... In ihrem Wahn war er immer eine große Stütze für Jolene gewesen.
"Lass sie in Ruhe, es sind doch nur Filme. Richte Vater bitte aus, dass ich ihn nicht enttäuschen werde. Er wird stolz auf seine Tochter sein. Und in zwei Monaten bin ich endlich wieder Zuhause."

[Anne]

"Ich werd's ihm sagen." Corbyn zwinkerte ihr verschwörerisch zu. "Gute Nacht, Princess." Er drückte sie noch einmal kurz an sich. "Nacht, Ria."
"Hmh", machte sie bloß aufgeregt, als Corbyn sie ansprach.
Dann verließ Jolenes Bruder das Zimmer.

[goldie]

Jolene zwinkerte zurück und verabschiedete sich. Sie
verdrehte die Augen, als sie Rias Verlegenheit bemerkte. Ohne ein weiteres Wort ließ sie sich aufs Bett fallen. Sie musste nachdenken. War es das letzte Mal gewesen, dass sie ihren Bruder in der Realität gesehen hatte?

[Anne]

Lorraine meinte sich zu erinnern, dass Corbyns letzter Besuch etwa zwei Wochen her war. Vor einigen Tagen hatte Keeran sie besucht. Er hatte ihr leckere Limonade mitgebracht, wie so oft zuvor. Diese hatte es sogar bis in ihren Wahn geschafft. Dort war Biala diejenige gewesen, von der sie das Gebräu bezogen hatte.
"Willst du mit gucken? Sonst mach ich Kopfhörer rein...", sagte Ria.

[goldie]

Kurz war Jolene aus Neugier geneigt zuzustimmen. Doch sie hatte keine Zeit für sowas. Noch galt es aber, ihren Vater in Sicherheit zu wiegen, dass alles nach seinen Wünschen lief. "Corbyn hat Recht, die Filme verwirren mich nur. Nimm lieber Kopfhörer."

Als Ria sie endlich in Ruhe ließ, starrte sie an die Decke und dachte nach. Das war in letzter Sekunde gewesen vorhin. Hätte Corbyn nicht so geistesgegenwärtig reagiert, hätte sie jetzt keine Gelegenheit gehabt, alles in Ruhe zu durchdenken.

Sie erinnerte sich wieder ganz klar an Neil. An seine Locken, sein Lächeln, sein sanftes Gemüt. Sie hatte nur Indizien gegen ihren Vater gefunden, er hatte wie gewohnt sehr sauber gearbeitet. Doch er steckte definitiv hinter der grausamen Ermordung ihres Freundes, da war sie sich ganz sicher. Wie alle seine Kinder war sie eine Spielfigur in seinen Machenschaften. Eine, die ohne Skrupel geopfert werden würde, wenn sie nicht funktionierte. Ihr Vater war grausam. Hatte befürwortet, dass ihre Stiefmutter sie misshandelte.

Lorraine atmete durch, als die Erinnerungen daran wieder aufwallten.

[goldie]

Wer weiß, was aus ihr geworden wäre, hätte Keeran sie da nicht rausgeholt. Sie mochte nicht daran denken... Und kaum zeigte sie Anzeichen, dass sie zur Vernunft kommen würde - in den Augen ihres Vaters jedenfalls - wollte er sie ohne Rücksicht auf Verluste verheiraten. So, wie es schon immer sein Plan gewesen war. Nein, sie wollte niemals wieder zurück zu diesem grausamen Mann. Sie war fertig mit ihm. Das einzige, was sie wunderte, war, dass der Hass verraucht war. Dunkel kamen ihr Gespräche mit Xid zur Aggressionsbewältigung gegenüber ihres Vaters in den Sinn. Auch wenn ihr nach wie vor mehr präsent war, wie sie schließlich ihren Hass gegen die Techsig aufgegeben hatte. Schlichtweg: Sie war fertig mit ihrem Vater.

Doch was sollte sie nun tun? Es kam nicht in Frage, zwischen den Welten zu leben. Das würde sie zerreißen. Es war schlimm genug gewesen, was vorhin gerade passiert war. Was würde es heißen, hierzubleiben? Dr. Horain und Xid hatten ihr gute Heilungschancen prognostiziert. Wenn sie ihre Tabletten nahm und mitarbeitete, so wie sie es bereits eine ganze Zeit getan hatte, bevor sie den Rückfall erlitten hatte. Durch das Double würde ihr Vater sie in Ruhe lassen. Sie musste ihm nur klarmachen, dass sie ihm nicht in die Quere kam. Ihm vorspielen, dass sie zurückwollte. Doch auch, dass sie zu schwach war, sodass er seine Drohung wahr machen würde. Dann wäre sie frei. Könnte etwas sinnvolles machen. Vielleicht Ysannes Orden beitreten, sie machte eine wirklich sinnvolle Arbeit. Und sie hätte ihre Brüder. Beide. Sie lebten. Sie würde hier wieder auf die Füße kommen.

Lorraine schluckte. Sie dachte wieder an Neil. Ihr war bewusst, dass Enric ein Symbol für ihn war. Er hatte sie beschützt, war für sie da gewesen, in der schlimmsten Zeit ihres Lebens. Doch Neil war tot. Enric war ein Hirngespinst. All die gemeinsamen Abenteuer fühlten sich fern an, wie ein Traum, der langsam verblasste. Sie wusste, dass es einfach nicht real war. Einzig und allein was blieb, war die tiefe Liebe und Verbundenheit zu ihrem Freund. Ob die Medikamente ihr dieses Gefühl auch noch nehmen würden? Sie spürte, wie ihr wieder die Tränen über die Wangen rannen.

Und dann traf sie eine Entscheidung.

Endlich fühlte sie sich klar und mit sich im Reinen. Sie schloss die Augen, um endlich ihren wohlverdienten Schlaf zu finden.

[Anne]

Lorraine merkte nicht, wie sie einschlief, aufwachte und sich für den Tag fertig machte. Da es ein Traum war, wechselte einfach die Scene ohne dass sie feststellte, dass etwas fehlte. Sie wusste nur, dass es nun Morgen war, dass sie bereits gefrühstückt hatte und bald die ersten Therapien beginnen würden. Ria war bereits nicht mehr auf dem Zimmer. Sie hatte jetzt ein Gespräch bei Xid.
Es klopfte und Dr. Horain betrat das Zimmer. Sie hielt einen Becher mit Lorraines Medikamenten in der Hand.
"Guten Morgen! Konnten Sie gut schlafen, trotz der Ereignisse gestern? Wie geht es Ihnen?"
Auren reichte der jungen Frau die Medizin.