Eine neue, alte Welt

[goldie]

Auren gab ihm alle Zeit, die er brauchte, um die Aufnahmen anzuschauen. "Ich ziehe dir alles auf einen Datastick, was für dich relevant ist. Da ist noch mehr", kommentierte sie zwischendurch sehr einfühlsam.

Als Enric das Lied erklingen ließ, schaute auch Auren überrascht um. Sie konnte sich noch gut an den damaligen Abend und das Lied erinnern. Ihr wurde gewahr, dass Enric eine akustische Illusion erzeugt hatte. "Das ist so erstaunlich, was du kannst", erwiderte sie voller Bewunderung.

Dann ergriff sie seine Hände, um in Tanzhaltung zu gehen. "Sehr gern. Noch einmal in Erinnerung an die guten alten Zeiten."

Die Musik spielte und entfachte all die Erinnerungen an die wunderschönen Seiten der Beziehung mit Enric vor einigen Jahren. Gepaart mit den Weinkonsum warf Auren ihre Pläne über Bord, sich mit Annäherungsversuchen zurückzuhalten, bis Enric sich offiziell von Jolene befreit hatte. Im langsamen Rhythmus der Musik kam sie ihm langsam näher. Sie hatte noch genug Contenance, um jederzeit wieder zurückzuweichen, würde Enric das verhindern wollen. Ansonsten würde sie dicht bei ihn sein wollen, um die Augen zu schließen, ihren Kopf an seine Schulter zu legen und sich von seinen starken Armen halten zu lassen.

[Anne]

Während Auren ihm immer näher kam und sich schließlich an ihn schmiegte wie früher wurde auch Enric klar, dass es falsch war, was er hier tat. Ob das bereits Betrug an Jolene war? Er wäre jedenfalls nicht begeistert gewesen, wenn sie sich so verhalten hätte. Ein schlechtes Gewissen kam in ihm auf und verstärkte sich, als er daran dachte, dass all das auch noch ausschließlich von ihm ausgegangen war. Irgendwie hatten diese Bilder, nach denen er ja gefragt hatte, eine überraschend große Sehnsucht in ihm ausgelöst, diese leichte und schöne Zeit noch etwas festzuhalten.
Enric ließ die Musik nach und nach leiser werden und ausklingen. Er wollte Auren nicht so abrupt von sich schieben. Sie sollte nicht das Gefühl bekommen, sich irgendwie unangemessen verhalten zu haben, wo er doch die Initiative ergriffen hatte. Doch als die Melodie verklungen war löste er sich von ihr. "Vielen Dank. Es war ein schöner Abend. Ich denke, ich sollte mich jetzt zurück ziehen. Ich gehe nur noch einmal bei demjenigen vorbei, den ich zur Wache eingeteilt habe um Bescheid zu sagen. Aber ich sollte mich jetzt wohl etwas ausruhen, um euch jederzeit sinnvoll verteidigen zu können", sagte er höflich aber deutlich distanzierter als vorher.

[goldie]

Als Recopianerin war Auren sehr sensibel, was Nuancen von Höflichkeit und Distanziertheit betraf. Warum hatte sie es nicht auch bei nur einen Glas Wein belassen? Dann wäre ihr diese Unbedachtheit nicht passiert. Nun hatte sie Enric verschreckt und es war vielleicht völlig zu spät.

Doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte, um die Situation zu entschärfen. Also stimmte sie einfach zu. "Ja, natürlich. Du musst ausgeruht sein. Der Schutz unser Leute ist wichtig. Ich könnte mir niemals verzeihen, wenn einem von ihnen etwas geschieht, nur weil ich dich zu lange wach gehalten habe. Ich kümmere mich ums Aufräumen. Das ist gar kein Problem. Wir sehen uns dann morgen. Gute Nacht."

Sie lächelte ihm unsicher zu und verzichtete dieses Mal auf die recopianischen Abschiedsküsschen.

[Anne]

"Nein, nein. Ich helfe dir noch alles wegzuräumen. Das dauert ja nicht lange. Und danke für die Bilder. Ich würde mich sehr freuen, wenn du sie mir zukommen lässt."
Enric machte sich daran, mit aufzuräumen und verabschiedete sich anschließend zügig und ebenfalls ohne Abschiedsküsschen.
An diesem Abend lag er noch eine ganze Weile wach. Er dachte an Jolene, daran wie es sein würde sie diesmal endgültig zu verlassen und an Auren und wie er sich ihr gegenüber verhielt.
Am nächsten Tag suchte er nicht mehr so häufig Aurens Nähe wie zuvor. Er ging ihr nicht aus dem Weg, aber er suchte sie auch den ganzen Tag lang nicht aktiv auf, es sei denn es gab etwas Berufliches oder Organisatorisches zu besprechen.
Erst am Abend fragte er sie zögerlich: "Wäre es in Ordnung, wenn wir heute Abend schon damit beginnen könnten, dich in die Tal She Angelegenheiten einzuarbeiten? Je mehr du bereits weißt bevor wir Gateway erreichen umso sinnvoller erscheint es mir. Ich weiß ja nicht wie viel Zeit mir dort bleibt, bevor mich irgendjemand auf den nächsten Auftrag schickt..."

[goldie]

Auch Auren hatte noch lange wach gelegen. Sie hatte sich Vorwürfe gemacht, dass sie zu forsch gewesen war. Hatte Angst, dass es bereits vorbei war, bevor es begonnen hatte. Eigentlich war ihr doch klar gewesen, dass Enric eine treue Seele war. Niemals würde er seine Freundin betrügen, selbst wenn feststand, dass er die Beziehung bald beenden würde. Wenn sie noch den Hauch einer Chance bei ihm haben wollte, durfte sie bis zu Enrics Trennung nicht mehr den leisesten Annäherungsversuch wagen.

Tagsüber war sie also ihrer Aufgabe nachgegangen. Sie hatte Enric einige anspruchsvolle Aufgaben gegeben, wo seine hervorragende Expertise gut angelegt war. Sie wusste, dass er Gelegenheit gehabt hätte, einfach mal vorbeizuschauen und zu plaudern. Doch er tat es nicht. Brachte ihr auch nicht den Caf, über den sie gestern gescherzt hatten. Und auch sie hielt sich zurück, aus Angst etwas falsch oder nich schlimmer zu machen.

"Ja, sehr gern", antwortete sie etwas angespannt. "Ich hätte heute früh schon danach gefragt, aber dadurch, dass ich den Professor vertrete, bin ich tagsüber leider komplett eingebunden. Er weiß bisher auch noch nichts von meinen Plänen, nach Gateway zu gehen. Wo wollen wir uns besprechen?"

[Anne]

"Ja, das ist mir durchaus verständlich, dass du deine Prioritäten derzeit hier bei dieser Ausgrabung hast. Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn wir uns nur kurz zusammensetzen, um darüber zu sprechen. Du hast ja bereits einen langen Tag hinter dir. Und danke übrigens für die Aufgaben, die du mir gegeben hast. Sie waren gleichwohl unterhaltsam wie auch angenehm auszuführen. Diese Analyse habe ich lange nicht mehr gemacht aber ich denke trotzdem, dass ich sie korrekt ausgeführt habe. Du kannst ja jemanden drüber schauen lassen, wenn du möchtest. Ich nehme an, du möchtest mit deinem Team zu Abend essen. Vielleicht können wir uns danach in Nitrams Küche treffen?"
Normalerweise hätte Enric gerne etwas für Auren gekocht. Aber nach seinem Fehlverhalten gestern wollte er sich und seine Ex Freundin nicht wieder in eine ähnliche Situation bringen, zumal Auren mehr als einmal betont hatte dass ihr Interesse an ihm eigentlich verloschen war. Also war das einzige, was er ihr nachher vorsetzen würde der Caf, den er ihr gestern zugesichert hatte.

[goldie]

"Oh. Nitram und du, ihr seid natürlich an unserem Tisch willkommen. Das Essen ist fast fertig und ihr seid schon mit eingeplant. Aber..." Sie zögerte.

"Also, wenn ihr lieber für euch sein wollt, ist das natürlich auch in Ordnung. Vielleicht ist es doch ein wenig zu viel verlangt, komplett unser Archäologenleben zu teilen. Ich verstehe, wenn du respektive ihr davon eine Pause braucht. Gut, also, ich komme nach dem Essen aufs Schiff. Ich denke, in etwa einer Stunde bin ich dann in der Küche. Ich beeile mich, eventuell wird es etwas früher. Okay?"

Sie hatte herumgestammelt, wie es sonst gar nicht ihre Art war. Selbst Enric musste ihre Unsicherheit bemerkt haben. Nun wurde sie zu allem Überfluss auch noch rot, weil ihr ihre Ausdrucksweise so peinlich war. Sie hoffte, seine Antwort würde kurz ausfallen, damit sie schnell zum Essenstisch flüchten konnte.

[Anne]

Enric sah Auren verwundert an. Er hatte keine Ahnung, was sie eigentlich gerade zum Ausdruck bringen wollte. Er bemerkte durchaus ihre Unsicherheit, aber er wusste es nicht recht einzuordnen. Dementsprechend dahingestammelt fiel auch seine Antwort aus. "Also, ich meinte eigentlich ob du bei deinem Team isst weil ich dir sonst auch etwas bei mir zubereitet hätte. Ich meinte gar nicht, dass ich nicht bei euch sein will. Warum sollte mir das Archäologendasein zu viel werden? Ich bin immer noch selbst einer, oder... etwa nicht?" Dann fiel ihm auf, dass Auren sich eigentlich schon von ihm verabschiedet hatte und kam zu dem Schluss, dass sie peinlich berührt war, weil sie ihn gerade von der Mahlzeit ausgeladen hatte, da er ihr gestern zu nahe gekommen war. So musste es sein...
"Ach so, verstehe", sagte er plötzlich. "Ehm na ja, du hast schon Recht. Ich brauche wohl doch mal eine Pause. Also, bis später dann und du brauchst dich nicht beeilen..."
Er wäre am liebsten unsichtbar geworden, aber natürlich tat er das nicht. So würdevoll wie es nach dieser unangenehmen Unterhaltung noch möglich war verzog er sich auf Nitrams Schiff.

[goldie]

Wie peinlich. Auren wandte sich ab und eilte davon.

Exakt eine Stunde später kam sie in die Küche. Sie trug ihr Datapad in der Hand, um sofort loslegen zu können.

Enric war schon vor Ort.

"Guten Abend", begrüßte sie ihn. "Dann lass uns mal über die Tal-She sprechen."

Sie hatte keine Worte für auflockernden Smalltalk gefunden wie sonst. Ihr war die ganze Situation, in die sie sich gestern so unbedacht gebracht hatte, furchtbar unangenehm.

[Anne]

"Okay. Ich habe dir Caf gemacht, wie ich es gestern versprochen habe." Schüchtern lächelnd schob er ihr einen großen dämpfenden Becher zu, der nach Karamell duftete.
"Dann setz dich mal bitte." Trotz allem was vorgefallen war deutete er auf den Platz direkt neben sich. Vor ihm lag ebenfalls sein Datapad. "Welche Vorgehensweise erachtest du für sinnvoll? Soll ich dir in chronologischer Reihenfolge zeigen, was sich in Zusammenhang mit den Tal She ereignet hat? Oder wäre es dir lieber ich brächte die Informationen, die ich für am relevantesten halte zuerst vor?"

[goldie]

"Danke." Sie lächelte schüchtern und nahm den Caf entgegen.

"Die historische Chronologie zu kennen, erscheint mir an sinnvollsten. Insbesondere, weil du mir ja bereits einige Dinge berichtet hast, die, so denke ich, bereits einen groben Überblick über die Gesamtsituation geschaffen haben."

[Anne]

Also begann Enric damit, Auren zu erzählen, was er gemeinsam mit den anderen über die Tal She herausgefunden hatte. Immer wieder zeigte er ihr Fotos und Videos von den unterirdischen Anlagen, die er gemacht hatte. "Wie du siehst ist hier alles voller Schriftzeichen und Symbole. Allerdings bin ich noch nicht dazu gekommen, mir genauer anzuschauen was da steht. Das wäre zum Beispiel eine Aufgabe für dich. Du bist ja sehr gut in so etwas."
Er zeigte ihr auch, was er an Aufzeichnungen über die historischen Technologien besaß und spielte ihr einige der Hologramme vor, mit denen sie auf der letzten Mission hatten reden müssen um die Sicherheitsfreigaben zu bekommen.
Da Enric so in seinem Element war ließ er nach und nach seine Unsicherheit und die Gedanken an gestern beiseite. Er berichtete voller Begeisterung und höchst konzentriert und strahlte dabei schon bald wieder eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit seiner Kollegin aus.
Bei den Hologrammen auf der letzten Mission angekommen hielt er plötzlich inne mit seinen fachlichen Erläuterungen. Er blickte Auren an und sagte: "Weißt du, was absolut seltsam war? Einige dieser Erscheinungen haben Dinge aus unserer Vergangenheit aufgegriffen, die uns irgendwie unangenehm waren oder uns mal belastet haben. Diese historische Anlage hat doch tatsächlich die Frechheit besessen, mich zu nötigen mein erstes Gespräch mit Stance wiederzugeben. Du weißt schon, das wovon ich dir erzählt hatte... Das nachdem er mich bis auf alle Ewigkeit verachtet hat. Weißt du eigentlich, was aus dem geworden ist nach dem Studium?"

[goldie]

Auren ging es ganz ähnlich wie Enric. Schnell war sie gefesselt von seinen Ausführungen und die Anspannung war restlos verflogen. Immer wieder stellte sie kluge Fragen, die ihr Verständnis noch weiter vertieften. Sie war begeistert von dem Tal-She Thema und freute sich bereits, in diese Forschung involviert zu werden.

"Den Dialog mit Stance wiedergeben? Ja, natürlich erinnere ich mich daran. Aber wie ist das überhaupt möglich, dass diese Anlage das wissen konnte? Und überhaupt verifizieren konnte, dass du den richtigen Dialog wiedergeben konntest? Stance hatte bereits Monate vor mir mit seiner Doktorarbeit angefangen. Er verfolgte die Kultur der Ma'rathmati, die auf verschiedenen Planeten im Core zu finden war. Als ich Recopia verließ, war er gerade auf einer Grabung, um weiteres Material zu sammeln, wenn ich mich recht entsinne auf Jakku."

[Anne]

"Ich weiß leider bis heute nicht genau, wie das alles genau funktioniert hat. Vielleicht kannst du es mir ja erklären, sobald du dich in alles eingearbeitet hast."
Er erhob sich um Auren einen neuen Caf zu machen, da sie ihren ausgetrunken hatte. "Du weißt gut Bescheid darüber, was Stance so unternommen hat. Ich dachte, du könntest ihn auch nicht leiden?" Er stand noch mit dem Rücken zu ihr, um die entsprechende Maschine zu bedienen, während er das fragte. Allerdings wartete der Archäologe ihre Antwort gar nicht erst ab. Er wandte sich ihr nun doch zu um und fuhr verlegen fort: "Weißt du, es geht mich ja nichts an, das mit deinen Freunden nach unserer Trennung. Aber erst waren es nur zwei, wobei einer von denen dir fürchterlich peinlich war. Ich dachte erst, du hättest eben eine besondere Vorliebe für Gamorreaner oder dergleichen entdeckt, aber dann hast du beteuert, dass du keine Verhältnisse mit anderen Spezies unterhalten hast. Und neulich, da waren es schon nicht mehr zwei sondern drei, die du in der Zwischenzeit kennengelernt hast. Das ist ja alles deine Sache... Ich wollte nur... Ich würde einfach gerne wissen, ob er einer von ihnen war... Stance meine ich."
Enric wirkte nervös, als er ihr das fertige Getränk zuschob. Vielleicht fürchtete er auch für diese Frage ausgelacht zu werden oder Auren zu verärgern.

[goldie]

Kaum hatte Enric seine Frage zu Ende gestellt, wurde Auren knallrot. Sie nahm den Caf entgegen und konzentrierte sich darauf einen Schluck zu nehmen und Enric dabei ja nicht in die Augen zu schauen. Sie schien nach wie vor sehr an ihrem Getränk interessiert zu sein, als sie äußerst verlegen antwortete: "Nein, es war nicht Stance. Können wir weitermachen?"

Hatte er sie ausgerechnet danach fragen müssen? Und das nach diesem Disaster vom Vortag?