Der Patrouillenflug

[goldie]

Jolene war überglücklich, wieder mit Enric vereint zu sein. Die merkwürdigen Umstände interessierten sie wenig. Noch immer war sie davon überzeugt, in ihrer persönlichen Wahnvorstellung zu leben und dass alles irgendwie zu ihrem wohl passierte, vor allen alles in Bezug auf Enric. Warum also hätte ihr Verstand nicht ein Artefakt zur Teleportation erdenken sollen, UN sie wieder mit ihrem Freund zu vereinen?

Während er also wie besprochen an den Sensoren saß, brachte sie das Schiff in die Luft. Für die nächsten Stunden würden sie die weiträumige Luftüberwachung übernehmen.

"Und, wie war es?" fragte sie gutgelaunt. "Du hast mir so viel von der Archäologie erzählt. Das muss doch großartig für dich gewesen sein, wieder bei einer echten Ausgrabung mitzumachen und dann auch noch so schnell etwas so unglaubliches zu finden." Sie wandte sie zu ihm um und schenkte ihm ein Lächeln. Bisher war nicht das geringste Anzeichen zu erkennen, dass sie ein Problem damit gehabt hätte, dass Auren ebenfalls vor Ort gewesen war.

[Anne]

"Ich habe mich sehr darüber gefreut, diese Entdeckung gemacht zu haben. Die Ausgrabung war in der Tat überaus unterhaltsam für mich. Ich habe es durchaus genossen", antwortete Enric für seine Verhältnisse relativ kurz. Aus der Gewohnheit der vergangenen drei Tage sprach er noch immer im Dialekt seiner Heimatwelt. Als es ihm auffiel wechselte er in normales Basic. Er wollte Jolene nicht verärgern.
"Warum hast du eigentlich so gute Laune? Wir werden wahrscheinlich bald vom Kreis der wahren Macht angegriffen und müssen es mit einem Waffenmeister aufnehmen. Wenn ich das richtig verstanden habe, hattet ihr hier viele Verluste. Und das Schlimmste ist, dass du glaubst, ein Verräter könnte unter uns sein. Ich finde das eine beunruhigende Anschuldigung. Wie kommst du nur darauf? Und wieso wirkst du trotz allem so zufrieden?"

[goldie]

"Du kannst ruhig weiter in diesem Dialekt sprechen", befand Jolene. "Irgendwie ist der drollig." Tatsächlich mochte sie es, wenn er so sprach. Es schien ihm gutzutun und wenn sie es recht bedachte, war es ganz niedlich. Jetzt, wo die Sache mit Auren vom Tisch war, gab es keinen Grund mehr, ihm das zu verbieten.

"Weißt du, ich habe das Gefühl, dass alles so richtig ist, wie es ist. Es fühlt sich irgendwie gut an. Außerdem sitzt du hier neben mir und bist nicht ewig weit entfernt. Es waren zwar nur wenige Tage, aber ich habe dich jetzt schon unglaublich vermisst." Wieder schenkte sie ihm ein Lächeln.

"Und jetzt, wo du hier bist... Hey, was soll das schon schiefgehen?"

[Anne]

Enric beobachtete seine Freundin verwirrt. Da stimmte etwas nicht. Das war nicht zu übersehen.
"Jolene, Liebes, sag mal du hast nicht zufällig etwas genommen, um mit dem Stress hier besser zurecht zu kommen? Du kannst es mir ruhig sagen. Ich verstehe das, glaub mir. Oder... denkst du vielleicht wieder, dies hier sei nichts weiter als ein Traum?"
Ihr gleichgültiges Verhalten erinnerte ihn daran, wie sie nach Kois Tod gewesen war. Vielleicht war ihr alles zu viel geworden? Besorgt betrachtete er die junge Frau.

[goldie]

Nur dort einen Moment sah sie ihn abschätzig an. Wie viel wusste er noch? Dann lächelte sie wieder. "Nein, keine Medikamente, kein Traum." Jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne, fügte sie in Gedanken hinzu.

"Es ist alles in Ordnung. Du kannst dich nicht zufällig an unser letztes Gespräch in der Klinik erinnern?" fragte sie unvermittelt.

[Anne]

Enric überlegte eine ganze Weile sehr angestrengt. "Nein, tut mir leid. Boranda ist mittlerweile so lange her. Ich weiß nicht mehr was du mir bei deinem Besuch bei uns gesagt hast. Hilf mir etwas auf die Sprünge, dann fällt es mir bestimmt wieder ein."

[goldie]

"Boranda?" Dann winkte Jolene ab. "Weißt du was, es ist nicht wichtig."

Sie beschloss, ihn mit einem der anderen Themen abzulenken. "Du hast mich nach dem Verräter gefragt. Es mag verrückt klingen, vielleicht bin ich auch nur etwas paranoid. Aber wir können unter keinen Umständen riskieren, dass ein Verräter vom KdwM unter uns ist. Ich habe da so ein Gefühl. Du weißt ja, dass an Träumen manchmal ein Körnchen Wahrheit dran ist. Und ich hatte einen wirklich schlimmen Traum. Owen hatte Akaavi getötet. Dann hat er mich dazu verleitet, die dunkle Seite der Macht zu nutzen und wollte mich ebenfalls als Anhängerin vom KdwM gewinnen." Sie schwieg für einen Moment, als sie an weitere Einzelheiten dieses schrecklichen Traums dachte. Fort war die gute Laune. Sie wirkte sehr ernst, ja besorgt. Entschlossen fuhr sie fort: "Ich werde nicht zulassen, dass so was in der Realität passiert. Vermutlich ist alles in Ordnung, doch für den unwahrscheinlichen Fall, dass es wahr ist, habe ich ihn unter Beobachtung. Und ganz ehrlich, seit ich zurück bin verhält er sich auch sehr merkwürdig mir gegenüber. Vielleicht ist ihm aufgefallen, dass ich ihn im Verdacht habe. Ich muss auf jeden Fall vorsichtig sein."

[Anne]

"Du denkst, Owen gehört eigentlich zum Kreis der wahren Macht?" Die Skepsis war ihm deutlich anzumerken. "Ist das nicht ziemlich unwahrscheinlich? Überleg nur, was er alles mit uns durchgestanden hat und wie oft er unsere Leben gerettet hat. Das wäre doch nicht verhältnismäßig für einen Spion oder ähnliches. Aber du sagst, du hast ihn unter Beobachtung, ja? Was meinst du damit?"

[goldie]

"Ich weiß ja selbst, dass es sehr unwahrscheinlich ist. Aber wer weiß schon, was in unserer verrückten Welt alles passieren kann? Ich meine, eigentlich sind meine Träume ja nicht so, dass sie wahr werden und es sind eher Ängste, die ich habe. Aber dieses Mal habe ich da so ein Gefühl. Fast wie eine Vision. Ich kann das nicht beschreiben. Vielleicht ist es ja auch nicht Owen, sondern Akaavi oder Vela. Oder es ist hier jemand aus dem Lager. In meinem Traum hatte Owen jedenfalls eine Tätowierung vom KdwM auf der Brust. Vielleicht hat er ja wirklich so was, vielleicht auch nicht auf der Brust sondern woanders. Oder eben einer von den anderen..." Jolene biss sich auf die Unterlippe. "Naja, ich kann sie ja schlecht fragen, ob sie sich vor mir ausziehen. Deswegen habe ich eine Kamera im Bad installiert. Ich will ja auch nur einmal gucken und sie dann wieder wegnehmen. Außer du möchtest, dass ich sie dort lasse. Ich habe nichts dagegen, wenn du mir beim Duschen zusiehst." Am Anfang war sie äußerst ernst gewesen. Doch bei ihrem letzten Vorschlag lächelte sie ihn spitzbübisch an.

[Anne]

Enric lächelte nicht. Er sah eher ziemlich betroffen aus. Wieder einmal wurde ihm klar, dass Auren Recht hatte, was seine Freundin betraf. Ja, er liebte Jolene sehr. Aber manchmal war das einfach nicht genug.
"Du nimmst die Kamera sofort weg, wenn wir wieder zurück sind", legte er fest. "Du kannst froh sein, wenn sie bis dahin niemand entdeckt hat. Jolene, so etwas geht einfach nicht..."

[goldie]

Jolene gab sich geduldig, auch wenn ihr Tonfall nun doch etwas genervt war: "Ich nehme die Kamera gern weg, wenn du mir eine andere Möglichkeit sagst, wie wir diese Sache überprüfen sollen. Und sag jetzt nicht, das ist an den Haaren herbeigezogen, was ich vermute. Du hast dich vorhin durch einen ganzen Planeten teleportiert, weil du so ein Gefühl hast. Was ich tue, ist wenigstens nicht gefährlich. Du hingegen riskierst dein Leben. Wir haben noch nie ein Machtartefakt besessen. Es hätte sonstwas passieren können, als du es benutzt hast. Vielleicht hätte es komplett deine Macht abgesaugt oder dich in 1000 Stücke zerrissen. Manchmal bist du echt leichtsinnig."

[Anne]

Enric zuckte mit den Schultern. "Ich habe es getan, weil ich euch helfen wollte. Wenn es schief gegangen wäre, dann hätte es in erster Linie mich selbst betroffen. Du hingehen setzt alle anderen einer extrem unangenehmen Situation aus, weil du ein komisches Gefühl hast. Ich sage ja nichts dagegen, dass du es herausfinden willst aber doch nicht so!"
Er schüttelte den Kopf, seufzte und fuhr fort: "Owen und Akaavi habe ich bereits unbekleidet gesehen. Die haben keine Tätowierung vom Kreis der wahren Macht. Bei Akaavi wäre es sogar möglich, wegen seiner Vorgeschichte. Deshalb wäre er aber nicht gleich ein Verräter. Und Vela kannst du ja zurück auf Gateway mal einladen, mit dir in den heißen Quellen baden zu gehen. Dann hast du auch dein Ziel erreicht und zusätzlich vermutlich eine Mirialanerin glücklich gemacht. Aber das nächste Mal solltest du mit den anderen reden. Du hättest Vela untersuchen können und die Männer einander. Es bestand keine Notwendigkeit die Privatsphäre deiner Freunde so dermaßen zu verletzen. Das hier ist Velas erste Mission mit uns. Ich hoffe sie verlässt uns nicht gleich wieder, wenn sie davon erfährt..."

[goldie]

Jolene biss sich auf die Unterlippe. "Glaubst du, ich bin zu paranoid? In meinen Traum konnte Owen Illusionen erzeugen. Deswegen die Kamera. Glaubst du, ich würde wollen, dass Owen sich gegen uns wendet?" fragte sie nachdenklich.

[Anne]

Enric starrte Jolene irritiert an. "Ob du wollen würdest, dass Owen uns hintergeht...? Nein!? Wer würde so etwas wollen? Und ja, ich denke, dass du zu paranoid bist. Dennoch scheinst du es in anderer Hinsicht ganz plötzlich nicht mehr zu sein. Zumindest gibst du vor, mir jetzt so weit zu vertrauen, dass Auren kein Problem mehr für dich wäre... Auch etwas, was dir von heute auf morgen eingefallen ist. Was ist bloß los mit dir in letzter Zeit?"

[goldie]

"Ja, Auren..." Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare, weil sie mit ihren Gedanken nach wie vor bei dem ehemaligen Soldaten war. "Vielleicht tue ich Owen ja wirklich unrecht. Er hat mir nie etwas getan. Es wäre unlogisch, wenn es von heute auf morgen kippt. Du vertraust ihm, sagst du? Und Akaavi und Vela auch, ja?" Jolene atmete durch. "Verrat ist wirklich etwas Schlimmes", sagte sie eher zu sich selbst. "Okay, ich vertraue auf dein Urteil. Ich nehme die Kamera wieder weg, wenn wir gelandet sind. Und es ist auch überhaupt nichts passiert. Es gibt noch keine Aufzeichnungen."