Begegnung im morgendlichen Garten

[Anne]

Jetzt sah Ria etwas enttäuscht aus. "Ich war noch nicht da. Sie will mich irgendwie nicht sehen anscheinend... Dabei hab ich ihr extra einen Kuchen gebacken, mit Schokolade und Schrift und allem. Und ich hab ihr Musik geben lassen, damit sie da was zu hören hat." Sie zuckte mit den Schultern. "Egal, sie wird ihre Gründe haben. Wie war's denn da unten bei ihr? Du warst doch bestimmt schon bei ihr."

[goldie]

"Ich war in manch einer Hochsicherheitsanlage, die schlechter gesichert ist. Da habt ihr euch ja was nettes ausgedacht hier für eure Gefangenen." Er zerrieb während seiner Worte die Blüte zwischen seinen Fingern. Die kleinen Fetzen bröselten nach unten.
"Du hast vorhin von einem Therapeuten gesprochen. Meinst du Duan damit? Wie ist sein Ruf? Soll der was taugen?"

[Anne]

Als Corbyn die Gefängnisanlage ansprach meinte Ria Schulterzuckend: "Ist halt schwer, Machtsensitive einzusperren. Es gibt ja auch einige, die die Gedanken irgendwie beeinflussen können. Für die gibt es solche Bedingungen wahrscheinlich. Aber ich weiß nicht, ich werde es mir hoffentlich noch selbst ansehen können - also als Besucherin."
Dann beantwortete sie die Frage nach dem Therapeuten.
"Ja, Xid Duan ist das. Den haben Koi und Enric damals als kleines Souvenir aus dem Irrenhaus mitgebracht, wo sie gesessen haben. Der ist schon echt in Ordnung. Ich kenn viele, die zu dem gehen und Gutes über die Behandlung sagen. Ich selbst brauch das ja nicht, aber ich kenn ihn ein bisschen weil er ja auch hier wohnt. Korrekter Typ. Quatscht nicht über seine Patienten. Hat eine ziemlich strapazierfähige Geduld. Ich glaub, der ist ok."

[goldie]

"Strapazierfähige Geduld?" Er lachte trocken auf. "Das kann er bei Princess wirklich gut gebrauchen. Naja, scheint ja wirklich ganz kompetent zu sein. Habe gehört, dass sich die zwei in Boranda da zwangsweise ins Irrenhaus eingeschlichen haben. Die Mission war ja ein voller Erfolg. Bist bestimmt froh, dass sie dich da raus geholt haben."

[Anne]

"Tja, jetzt habe ich alles und noch mehr. Da bin ich natürlich ziemlich dankbar. Und mir gefällt es hier auch", gab Ria zurück. Sie wirkte tatsächlich zufrieden, aber nicht so glücklich wie man es annehmen sollte bei jemandem, der von einem so schrecklichen Ort gerettet worden war. Irgendetwas in Zusammenhang mit ihrem Umzug ins Praxeum schien sie zu belasten. Doch plötzlich wurde die nachdenkliche Mine des Mädchens zu einem schelmischen Lächeln. "Jetzt musst du wenigstens nicht mehr befürchten, dass du dich mit Läusen ansteckst, wenn du neben mir sitzt. Übrigens, ich kann riechen, dass du gesoffen hast. Ich hab da 'n Näschen für. Warte Mal, ich hol dir was. Hau nicht ab, klar?"
Sie stand auf, holte ein bestimmtes Kraut aus dem Garten und hielt es ihm hin. "Das wirkt Wunder gegen Kater. Hab ich auf dem Überlebenstraining im Wald mit meinem Paps gelernt. Du musst das Zeug aber roh zerkauen, sonst bringt's nichts."

[goldie]

Corbyn bemerkte zwar, dass Ria nicht vollständig glücklich mit dieser Situation war, doch er sprach sie nicht darauf an. Danach sah er ihr zu, wie sie ihm das Kraut aus dem Garten holte.

"Einfach kauen, hrm?" fragte er skeptisch. Da er davon ausging, dass Jolenes beste Freundin ihn nicht vergiften würde, tat er tatsächlich so, wie ihm geheißen. "Und wie lange braucht das Zeug, um zu wirken, kleines Garten-Nexu?"

[Anne]

"Kommt drauf an, wie doll du dran glaubst, Momong", erwiderte sie mit einem etwas provozierenden Lächeln. "Aber auch wenn du nicht dran glaubst wird's dir in einer halben Stunde besser gehen."

[goldie]

Corbyn schmunzelte kopfschüttelnd. "Du bist Princess echt ähnlich. Naja, zumindest als sie jünger war. Genauso vorlaut. Schön, dass sie hier eine Freundin hat, die zu ihr hält. Selbst wenn sie gerade völlig abgedreht ist. Dass sie dich nicht sehen will hat jedenfalls nichts mit dir zu tun, sie ist einfach völlig neben der Spur." Er seufzte. "Kann man hier irgendwie die Zeit gut totschlagen? Ich muss noch viereinhalb Stunden warten, bis ich wieder zu ihr kann."

[Anne]

"Klar halte ich zu Sauerkirsche. Weißt du, manchmal kommt deine Schwester mir trotz allem normaler vor als die meisten anderen hier. Du willst also deine Zeit rumkriegen, ja? Tja, worauf hast du denn Lust? Du könntest dich natürlich ein bisschen nützlich machen und hier im Garten oder beim Frühstück machen helfen. Oder ich besorg dir ein Übungslichtschwert und wir gucken Mal, was du drauf hast. Vielleicht haust du dich auch 'ne Runde aufs Ohr, falls du hier ein Zimmer hast. Hier in der Gegend kann man auch schön wandern gehen. Oder ich zeig dir, wo der Schießstand ist. Na, was willst du machen?"

[goldie]

"Was soll es denn in einem Garten zu tun geben?" fragte er verwundert. "Pflanzen wachsen doch von alleine."

[Anne]

Ria lachte. "Oh Mann, du hast echt keine Ahnung, was? Na dann komm Mal mit!"
Sie stand auf und ging mit ihm zu einem Gerätehaus. Dann drückte sie ihm einen Spaten in die Hand. "Hier, du kannst was umgraben. Es ist super anstrengend aber du kriegst den Kopf frei davon. Fang da vorne an. Ich nehme mal an, die Handhabung dieses Geräts dürfte dir vom Leichen verscharren her vertraut sein?"
Sie zwinkerte ihm zu.

[goldie]

Corbyn hatte nichts dagegen, bei körperlicher Arbeit den Kopf freizukriegen. Bei ihrem Scherz erntete sie einen merkwürdigen Blick. Sollte ihr Jolene wirklich vom Familiengeschäft erzählt haben? Immerhin war sie vollkommen unzurechnungsfähig gewesen. Dann sagte er unverfänglich: "Zeig mal, wie das geht. Hatte so ein Teil noch nie in der Hand. Und das umgraben hat welchen Sinn?"

[Anne]

"Was guckst du denn so? Das war doch nur ein Witz, weil du doch beim Geheimdienst arbeitest. Na ja egal, komm ich zeig 's dir", erwiderte Ria und ging mit Corbyn zum Beet. Sie zeigte ihm kurz, wie man umgrub und erklärte mit knappen Worten wozu das gut sein sollte. Dann drückte sie ihm den Spaten in die Hand, um es ihn versuchen zu lassen.

[goldie]

Corbyn war harte körperliche Arbeit überhaupt nicht gewohnt. Nach wenigen Minuten legte er seine Jacke auf die Bank. Er trug ein kurzes Oberteil, das offenbarte dass beide Arme Vollprothesen waren. Nur der Übergang in den Körper war verdeckt. Eine marzialisch anmutende Band war auf Corbyns Shirt abgebildet.

Schon stürzte er sich wieder in die Arbeit. Beinahe verbissen beackerte er den Boden. Einige Zeit später war das Beet umgegraben und er ließ sich schwer atmend auf die Bank fallen. "Clever angestellt, Kleine. Lässt mich deine Arbeit machen, und ob ich jetzt durch das Kraut einen freien Kopf habe oder durch den Spaten, lässt sich auch nicht sagen."

[Anne]

Als Ria gesehen hatte, dass Corbyn zurecht kam, hatte sie sich daran gemacht, ein paar Früchte zu ernten. Nur ab und zu hatte sie verstohlen zu ihrem neuen Gartenassistenten herüber geschaut. Als sie bemerkte, dass er fertig war und sich wieder gesetzt hatte, kam sie mit einem vollen Korb voller Früchte wieder zu ihm zurück.
"Alles klar, na wenn du rausfinden willst, was davon es war, was dir geholfen hat, dann kannst du morgen vollkommen nüchtern das andere Beet umgraben. Und am Tag drauf gehen wir was Trinken und du gräbst noch das letzte Beet um, nachdem du das Kraut gekaut hast. Dann weißt du genau Bescheid."
Sie schmunzelte ihn an und hielt ihm den Korb hin. "Hier, Frühstück. Hast du dir verdient."