Wo liegt die Wahrheit?

[goldie]

Nach all den Strapazen der letzten Stunden, hatte sich Enric entschlossen, in der Rettungskapsel ein wenig zu schlafen. Er träumte...

Enric war in der Sicherheitsanlage, die zu Jolenes Gefängnis führte. Der Droide, der ihn das letzte Mal begleitet hatte, kam auch heute dieser Aufgabe nach. Enric wusste, dass er vor Wochen das letzte Mal hier gewesen war. Auch die Umstände des Abschieds von Jolene waren wieder sehr präsent...

[Anne]

Enric war nervös. Wollte er Jolene eigentlich sehen? Natürlich, er wollte ja wissen, ob es ihr besser ging. Gleichzeitig hatte er Sorge davor, wie seine Exfreundin auf ihn reagieren würde. Immerhin hatte er sie ja nicht allzu freundlich behandelt bei seinem letzten Besuch. Er wandte sich an den Droiden: "Kannst du mir etwas über das Verhalten von der Insassin Jolene Whiteflake aus den letzten Tagen berichten?"

[goldie]

Der Droide öffnete die Sicherheitstür vor ihm. Enric konnte genau sehen, welchen Code er eingab. Mit dröhnender Stimme sagte der mechanische Wärter: "Insassin Jolene Whiteflake. Sicherheitsüberprüfung. Parameter unverändert in den letzten Tagen." Schon kamen sie an der letzten Schleuse an. Der Droide verdeckte den Überwachungsbildschirm mit seinem Körper, sodass Enric nichts sehen konnte. So hätte Enric schon einmal einen Blick auf seine Exfreundin erhaschen können.

[Anne]

Da sich jeglicher Versuch, an dem Droiden vorbei zu spähen, als sinnlos heraus stellte, musste er sich wohl oder übel überraschen lassen. Kurz überlegte Enric, was er bloß zu ihr sagen könnte, bevor er wahrscheinlich wieder hinausgeworfen wurde. Aber es fielen ihm keine passenden Worte ein, die er sich zurecht legen könnte. Also versuchte er sich kurz zu sammeln, bevor er schließlich Jolenes Zelle betrat.

[goldie]

Die Tür öffnete sich und gab den Blick auf die Liege frei. Jolene lag darauf und regte sich nicht. Enric konnte sehen, dass ihre Augen geschlossen waren. Sie trug ein fast durchscheinendes Nachthemd, was bei der Kälte, die hier herrschte, ganz sicher nicht gesund war. Sofort fiel Enric auf, dass seine Exfreundin abgenommen hatte. Sie war so mager, wie damals nach der Boranda Mission. Hatte sie überhaupt in letzter Zeit etwas gegessen? Ihre Hände und Füße, selbst der Hals, waren mit großen Metallklammern an die Liege fixiert. Dann fiel ihm die Haube auf, die sie auf dem kahl rasierten Schädel trug und die mit einem fest sitzenden Metallring an Ort und Stelle gehalten wurde. Unzählige Dioden waren an Jolenes Kopf angeschlossen, die Kabel führten zu einem Bildschirm. Dieser war so gedreht, dass Enric nicht sehen konnte, ob etwas angezeigt wurde.

Während Enric all das in sich aufnahm, begab sich der Droide auf die andere Seite der Liege und warf einen Blick auf den Bildschirm.

[Anne]

Für einen Moment stand Enric einfach nur still da, völlig schockiert von dem Anblick, mit dem er so ganz sicher nicht gerechnet hatte. "Oh nein, Jolene..." Die Worte kamen kaum hörbar über seine Lippen. Schließlich ging er auf sie zu und trat neben ihre Liege.
"Jolene?", sprach er sie vorsichtig an. Unwillkürlich griff er nach ihrer kühlen, knochigen Hand.

[goldie]

Er spürte die kühle, knochige Hand, doch konnte sie nicht einen einzigen Millimeter bewegen. Als er neben Jolene stand, konnte er zumindest sehen, dass sie atmete. Sie reagierte nicht auf Enrics Berührung.

Der Droide sagte: "Check abgeschlossen." Dann verließ er die Zelle und mit einem lauten Krachen schloss sich die Tür.

Die beiden Menschen waren allein.

[Anne]

"Jolene...", versuchte er nochmal, die junge Frau aufzuwecken. Er sprach sie mehrmals an und berührte ganz sanft ihre Schulter.

[goldie]

Die geschlossenen Augen zuckten hin und her, als er sie berührte. Sie murmelte: "Enric... Neil..."

In diesem Moment öffnete sich die Tür. Xid trat ein, in der Hand sein Notizbuch. Er wurde begleitet von Auren. Diese trug einen Arztkittel ganz nach recopianischer Art. "Dann schauen wir mal nach unserem Sorgenkind", sagte sie beim Eintreten. Noch hatten die beiden Enric nicht bemerkt.

[Anne]

Enric bewegte sich keinen Millimeter von Jolene weg. Er hielt noch immer ihre Hand, obwohl Auren so eben den Raum betreten hatte.
"Was machst du denn hier?", fuhr er seine aktuelle Freundin harsch an.

[goldie]

Aurens weiches Lächeln war voller Mitgefühl, als sie zu Enric und Jolene schaute.

Xid sagte zu Auren: "Die Methode, die Sie entwickelt haben, ist wirklich vielversprechend. Nach all den erfolglosen Therapien bisher kommen wir hoffentlich heute zum Durchbruch." Dann schaute er ebenfalls in Richtung der Liege und schüttelte den Kopf. "Ach Enric, wenn Sie nur wüssten, was Sie dieser Frau angetan haben. Es ist wirklich eine Schande."

[Anne]

"Derjenige, der ihr etwas angetan hat, sind ja wohl eher Sie... Ich habe Ihnen vertraut! Als ich Jolene verlassen habe, war sie noch nicht so. Was hat das alles zu bedeuten?"
Er sprach bemüht ruhig, jedoch war der Ärger, der sich in seine Stimme mischte, nicht zu überhören. Seine Hand wanderte, ohne dass Enric es merkte, zu seinem Lichtschwert.

[goldie]

Xid seufzte, schüttelte abermals den Kopf und ging zum Bildschirm auf der anderen Seite der Liege. Auren folgte ihm. Beide würdigten Enric keines weiteren Blickes.

[Anne]

"Ist ja sehr amüsant, was ihr hier macht... Auren, ich verstehe schon, du bist wütend auf mich. Vermutlich weil ich dich darüber belogen habe, dass ich Jolene besucht habe und was ich wirklich empfinde. Oder weil ich dich mit dem Kor manipuliert habe. Oder weil ich mich ständig betrunken habe und dich nicht so behandelt habe, wie du es verdient hättest. Aber deshalb musst dich doch nicht gleich für so eine abstruse Rache einspannen lassen! Und Xid, was soll das hier sein!? Ist das eine Art Strafe oder Test oder Therapie? Es ist jedenfalls nicht hilfreich. Ich verlange, dass Sie mit mir darüber reden, was Sie mir vorzuwerfen haben!"
Seine Stimme war immer lauter geworden, während er sprach. Nun schaute er auf Jolene herab. "Und was ist mit dir? Spielst du das alles nur mit, um mir zu zeigen, wie sehr ich dich verletzt habe? Oder bist du wirklich so... so..."
Ihm wurde klar, dass auch Jolene sich wahrscheinlich nicht so abmagern lassen hatte und sich nicht den Schädel rasiert hatte, um ihm eins auszuwischen. Er ließ sie los und trat ebenfalls zu dem Monitor, um zu sehen, was da eigentlich gemessen wurde oder worum es sich handelte.

[goldie]

Xid studierte den Bildschirm und sagte zu Auren: "Es ist wirklich erstaunlich, welche Kraft es hat, dem Übel einen Namen zu geben. Auf diese Weise wird es greifbar und kann bekämpft werden." Er nickte, als er die Kurve auf dem Display ansah. Enric konnte sehr große Ausschläge darauf erkennen.

Auren sagte: "Faszinierend. Allein, dass sie eben seinen Namen ausgesprochen haben, scheint ihre Gedanken auf ihn zu fokussieren. Selbst im Schlaf. Doch nun werden wir dem ein Ende setzen." Sie holte eine Spritze hervor und zog sie auf.