Im Garten

[Anne]

"Geht es Ihnen also nur darum, dass Ria möglicherweise ein Geheimnis hat? Das könnte viele Gründe haben. Nehmen wir Mal an, es würde stimmen und sie hätte jemanden kennengelernt. Vielleicht denkt sie, nachdem Sie ja frisch getrennt sind, könnte es Ihnen weh tun von der frischen Liebe anderer zu hören. Es könnte auch sein, dass es jemand ist, den Sie nicht mögen würden. Oder es hat ganz andere Gründe. Sie haben ja zuerst auch niemandem von Ihrer Beziehung mit Enric erzählt und ihm ebenso untersagt, davon zu sprechen. Vielleicht ist es auch noch ganz frisch oder nichts Ernstes, oder es steckt tatsächlich einfach gar nichts dahinter. Sie sagten, es fällt Ihnen schwer, zu vertrauen. Denken Sie, Sie könnten hintergangen werden? Warum bedeutet es Ihnen so viel, darüber Bescheid zu wissen?", erkundigte Xid sich interessiert.

[goldie]

"Meine Geheimnisse sind doch etwas völlig anderes!" Jolene schaute sich aufmerksam um. Sie wollte sicher sein, dass niemand lauschte. "Ich habe ihr sogar von Vater erzählt. Und sie?" Sie biss sich auf die Unterlippe. "Sie meinen, sie will mich nicht verletzen? Das könnte natürlich ein Grund sein. Wenn da überhaupt was sein sollte." Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. "Dabei würde sie das nicht. Sie kann doch ruhig mal ein paar Erfahrungen machen. Ich glaube ich würde verrückt werden, wenn ich als Jungfrau Jedi werden würde. Ich würde mich immer fragen, was ich verpasst habe." Da Ria dieses Geständnis in Xids Anwesenheit gemacht hatte, war es für Jolene nichts verwerfliches, mit ihm darüber zu reden.

[Anne]

"Was man nicht kennt vermisst man meist auch nicht so sehr. Die Sache ist jedenfalls die, Jolene, dass Sie hier wieder Ihrem alten Muster folgen. Es passiert eine Situation, die sie nicht vollends nachvollziehen können. Das verunsichert Sie. Sie möchten Kontrolle über die Personen, die Ihnen etwas bedeuten, zum Beispiel in dem Sie genau wissen wollen, was vor sich geht. Vielleicht aus Verlustangst? Oder weil Sie diesen Verhalten aus Ihrer Familie so gewohnt sind? Oder weil Sie generell ein Vertrauensproblem haben? Nun ja, Ihre übliche Reaktion führt jedenfalls, wie wir an Ihrer Beziehung gesehen haben dazu, dass Sie Leute damit von sich fort treiben. Lassen Sie uns diese Kette durchbrechen. Es kann mit Ria anders laufen. Was wollen Sie also tun?"
Xid sah Jolene erwartungsvoll an. Er war gespannt, ob sie gleich aufspringen würde und abstreiten würde, was er gerade behauptet hatte.

[goldie]

Jolene stand abrupt auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Sie stand abgewandt von Xid und einige Sekunden verstrichen. Dann fragte sie verbittert, ohne sich zu ihm umzudrehen: "Wie soll ich denn jemals dieses Muster durchbrechen? Ich kann nicht anders. Ich werde immer misstrauisch sein. Vielleicht habe ich inzwischen ein Stück weit gelernt, ausgewählten Leuten etwas zu vertrauen. Doch sobald ich das Gefühl habe, hintergangen zu werden, ist es vorbei. Ich hasse es, angelogen zu werden."

[Anne]

"Wenn Sie so weiter machen, wird es immer schlimmer. Sie versuchen jemanden zu kontrollieren, die Person verlässt sie und bestätigt dann ihre Ängste davor. Dadurch wird ihre Angst noch schlimmer und beim nächsten Mal wiederholen Sie dieses Verhalten. Aber wie ich bereits sagte, können Sie diesem Teufelskralle entkommen und ihr Muster durchbrechen. Sie können einen anderen Umgang mit solchen Situationen erlernen. Sie sagten gerade, Sie haben das Gefühl hintergangen zu werden. Hintergeht Ria Sie aus Ihrer Sicht bereits, in dem Sie Ihnen nicht alles aus Ihrem Leben erzählt? Oder steckt mehr dahinter? Vermuten Sie irgendeine böse Absicht Ihnen gegenüber? Erzählen Sie mir, was Rias Verhalten bei Ihnen für Gedanken und Befürchtungen auslöst", forderte der Therapeut sie auf.
Der Garten bildete derweil einen starken Kontrast zur Angespanntheit der Situation. Es war ein heller, warmer Tag. Die Vögel zwitscherten und das Brummen von Insekten lag in der Luft. Ein Schmetterling landete auf der Lehne der Bank. Es war eine sehr friedliche Atmosphäre.

[goldie]

Jolene antwortete nicht sofort. Schließlich sagte sie: "Einmal ist es die Ungewissheit, ob da überhaupt was ist oder ob ich mir alles einbilde. Und angenommen, da ist wirklich was und sie hat jemanden. Dann finde ich es einfach unfair, dass sie mir nichts sagt, obwohl sie soviel von mir weiß. Vor allem will ich nicht angelogen werden. Soll sie mir doch sagen, dass es mich nichts angeht. Damit könnte ich vielleicht noch leben."

[Anne]

"Kommt Ihnen das vielleicht irgendwie bekannt vor, was Sie da gerade gesagt haben? Ria und Sie sind sich in mancher Hinsicht vielleicht nicht ganz unähnlich. Und bedenken Sie, dass Ihre Freundin noch ziemlich jung ist. Mit achtzehn Jahren macht Mal nun Mal nicht alles richtig, zumal wenn man so viel durchgemacht hat wie Ria. Ich würde Ihnen ans Herz legen, noch einmal mit ihr über all das zu sprechen. Benennen Sie ihr gegenüber noch erneut, was Sie verunsichert hat aber diesmal öffnen Sie sich dazu, indem Sie Ihre Gedanken, Gefühle und Ängste äußern. Sie haben auch dann kein Anrecht darauf, alles zu erfahren. Aber zumindest könnte Ria Ihnen dann vielleicht antworten, dass sie es nicht aufklären möchte oder aber Sie erklärt Ihnen, wie es zu den von Ihnen beschriebenen Situationen kam. Was wäre denn, wenn Ria sie angelogen hätte und es zugeben würde. Könnten Sie so etwas verzeihen?"

[goldie]

"Das kommt darauf an, warum sie gelogen hat. Wenn es eine vernünftige Erklärung gibt, hätte ich wahrscheinlich kein Problem damit."

[goldie]

"Und was soll mir bekannt vorkommen? Es ist mir schon klar, dass ich Enric mit meinem Misstrauen in Aurens Hände getrieben habe. Doch soll ich jetzt stattdessen alles glauben, nur damit ich meine Freunde nicht davonjage?"

[Anne]

"Ich meinte, dass Sie früher auch lieber geschwindelt haben, anstatt die Wahrheit zu sagen oder einfach zu sagen, dass Sie darüber nicht sprechen möchten. Ich dachte, sich daran zu erinnern, wie Sie früher waren, könnte Ihnen dabei helfen Ihre Freundin zu verstehen, sollten sie herausfinden, dass Ria nicht ehrlich zu Ihnen war. Und natürlich müssen Sie nicht alles glauben. Eine gesunde Skepsis ist sogar sehr gut."

[goldie]

"Das war doch etwas vollkommen anderes früher. Mir waren die Leute egal und ich wollte nicht bleiben. Als sich das geändert hat, habe ich auch nicht mehr gelogen." Sie atmete durch. "Sie schlagen also vor, dass ich mit Ria über meine Gefühle spreche? Da steht die überhaupt nicht drauf und ich auch nicht."

[Anne]

"Umso besser, dann können Sie es beide üben." Xid lächelte. "Es würde Ria auch gut tun, sich etwas mehr öffnen zu können, zu vertrauen und Gefühle zuzulassen. Vielleicht können Sie an dieser Stelle ein Vorbild für Ihre Freundin sein. Erlauben Sie mir noch eine Frage dazu... Sie haben sehr aufgebracht darauf reagiert, dass Ria einen Partner haben könnte und dies vor Ihnen verheimlicht. Sind Ihre Gefühle für sie tatsächlich nur freundschaftlicher Natur?"

[goldie]

Jetzt drehte sich Jolene endlich wieder zu Xid: "Sind Sie jetzt am Durchdrehen? Sie sind mir ein komisches Porg. Ich steh nicht auf Frauen. Und ich hab auch kein Interesse an Männern mehr. Mir reicht's." Jolene hatte die Fäuste geballt. Nun atmete sie durch. "Sie wollten mit mir noch darüber sprechen, wie es für mich ist bei Ria einzuziehen. Und um das nochmal klarzustellen, ich will da nicht hin, weil ich irgendein Interesse an ihr habe. Ich will dahin, weil ich es im Tal-She Haus nicht mehr aushalte." Sie funkelte Xid an.

[Anne]

"Das habe ich mir schon gedacht." Xid wirkte wie immer unbeeindruckt von Jolenes durchdringendem Blick.
"Möchten Sie sich vielleicht setzen, damit wir in Ruhe darüber sprechen können?"
Als Jolene eine Entscheidung diesbezüglich getroffen hatte, fuhr er fort: "Ich finde es verständlich, dass Sie nicht mehr dorthin zurück möchten. Ich denke, so ein Neuanfang ist eine gute Idee. Aber weshalb suchen Sie sich zu diesem Zweck ein Mehrbettzimmer aus? Sie hätten ja theoretisch auch die Ressourcen, sich hier irgendwo ein eigenes privates Haus errichten zu lassen. Sie sind nicht auf die Gebäude des Praxeums angewiesen. Weshalb interessieren Sie sich also für dieses Zusammenleben auf engem Raum mit den Jedischülerinnen?"

[goldie]

Jolene hatte sich mit verschränkten Armen zu ihrem Therapeuten gesetzt. "Was heißt hier enger Raum? Seien Sie mal wochenlang zu fünft in einem AT-TE unterwegs, ohne rauszugehen", verdrehte Jolene die Augen. "Das ist enger Raum. Außerdem habe ich keine Lust allein zu sein."